Tag Archives: Klinikaufenthalt

Tage 12 + 13

Samstag + Sonntag,  22. + 23.04.2023 – Wochenende, 3 Punkte, Aufstiegskandidat und Spitzenreiter

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, Sodbrennen, Schlafprobleme, Anspannung, innerer Druck

Samstag
Meine Nacht war wie immer. Unruhig mit einen Hauch von Sodbrennen. Das war aber auch ein sehr aufregender Tag.

6.40 Uhr Aber worauf ich keinen Bock habe, ist das Aufwachen mit leichtem Druck auf der Birne. Soll ich jetzt Ibus erfragen oder wird’s nicht schlimmer?

7.00 Uhr Schnell den Wochenendplan geschrieben und die Medis abholen.

8.30 Uhr Schnell gefrühstückt und R. wartet auch schon vor der Klinik auf mich.

Und weg bin ich.

Sonntag
17.00 Uhr Wir fahren los, damit ich nicht kurz vor knapp in der Klinik ankomme. Schnell anmelden und dann raus, mit R. noch eine rauchen.

18.00 Uhr Abendbrot. Jetzt fängt wieder der „andere Alltag“ so langsam an. Das fühlt sich gut und sicher an. Mein Wochenende war sehr sureal, da wir 1. im Umzug sind und 2. bei Freund*innen, die seit Samstag im Urlaub sind, Katzensitting machen. Alleine der Kontrast vom Safe Space der Klinik zum „normalen“ Alltag würde ausreichen, um das Wochenende zu verwirren, aber das setzt noch zwei obendrauf. Durch die Umzugsvorbereitungen ist unsere alte Wohnung schon vollgestellt mit gepackten Umzugskartons.

18.30 Uhr kurze Wochenendrunde

19.00 Uhr Zeit, die Wochenenplanung auszufüllen und mich mit dem Spannungsbogen auseinander zu setzen. Dann trage ich mal ein paar Stündchen nach. Der innere Druck fing erst ab 14.00 Uhr an langsam zu steigen. Kurz vor 18.00 Uhr war er dann beim heutigen Höchststand von 60%. Kurz vorm roten Bereich.

20.00 Uhr Mein Bettnachbar M. verlässt uns morgen und lädt zum Kuchen und Kaltgetränk ein. M. hat sogar extra für uns sogar Partyhüte besorgt. War lustig. 🙂

21.00 Uhr Die Tagesplanung für morgen will noch soweit wie möglich ausgefüllt werden. Diese spontanen Pflegetermin-Übungen stressen mich. Den Tag so richtig planen kann ich erst morgens. Das nervt. Aber damit kann ich Gelassenheit üben. Sollte ich auch.

21.34 Uhr Gute Nacht! <3

Tag 11

Freitag, 21.04.2023 – Stress und Maissuppe

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, Sodbrennen, Schlafprobleme, Angespanntheit, Kopfschmerzen

Meine Nacht war wieder sehr unruhig, mit Sodbrennen, aber ich bin jedesmal mit Musik in den Ohren aufgewacht und auch wieder eingeschlafen. Ich habe heute schon wieder so überhaupt keine Böcke. Auf nichts.

7.05 Uhr Ich warte im Wohnzimmer, bis die Pflegekraft kommt, den Tagesplan auslegt, ich meine Medis abholen kann und wir meine Tagesplanung durchgehen können. Mein Tagesplan macht vielleicht mehr Druck, als er nimmt. Mal schauen, wie sich das entwickelt… Zusätzlich läuft hier eine Mitpatientin nervös durch die Gänge, weil sie auch wartet. Das ist alles so anstrengend. Ich will wieder ins Bett!

7.15 Uhr Die ersten to do’s kann ich abhaken und es hat ja nur ein paar Nerven gekostet.

7.30 Uhr kurze Morgenrunde, schnell die Frühstück-Tabletts verteilen. Keine Zeit verlieren.

9.30 Uhr Werken lief wieder super. Die Sitzfläche ist erst einmal fertig und jetzt kommen die Beine dran. Natürlich sollen diese 70 cm lang sein und müssen dann mit querbalken gehalten werden. Ist noch ein wenig mehr Arbeit, aber ich habe ja auch noch mindestens 4 Wochen. Im Anschluss will die Musiktherapeutin mit mir quatschen und schauen, ob wir uns heute noch zusammensetzen. Ich hab so einen Bock auf die Therapie, aber nicht, wenn meine Planung durcheinander wirft. Das macht nicht nur den Plan sondern auch den Tag für mich zu nichte. Ich wollte/musste einfach absagen, aber die Therapeutin ist flexibel und sagt mir, dass ich einfach nach der Visite vorbeikommen soll und wir bis12.00 Uhr dann musizieren. Natürlich sage ich ja. Ich bin viel zu feige, es zumindest anzusprechen, dass sie mir den Tag kaputt macht.

10.30 Uhr noch eine Person vor mir in der Visite. Kacke! Ich schaffe es sogar noch pünktlich. Das wirft den kaputten Plan nochmal durcheinander. Ich kann das nicht. Echt. Das schlägt mir ordentlich auf den Magen.

10.50 Uhr Ich sitze in der Visite. Da es Urlaubszeit ist, schaue ich nur in 3 Gesichter, anstatt in 6. Das ist aber schon schlimm genug. Auch, wenn die 3 Sympathisch sind. Das ist eine unangenehme Situation. Ich komme sofort zur Sache:“ Wir haben gestern angefangen, einen Tagesplan zu erstellen. Das ist super! Nur nicht, wenn jemand etwas durcheinder schmeisst! Ich könnte das zu ersetzende ausradieren. Das sieht dann aber nicht mehr so perfekt aus und deswegen kann ich die allererste Seite nicht verschandeln. Ich könnte die erste Seite auch rausreissen, aber dann ist das Heft kaputt und ich muss es ganz wegschmeissen. Ich brauche eine Verschnaufpause, sonst explodiere ich.“ Das macht mich echt fertig! Der innere Druck ist grundsätzlich schon sehr hoch und dann schmeisst mir jemand meine Planung durcheinander. Das Ende vom Lied ist: Die Musiktherapeutin wird angerufen, dass ich gegen 11.15 Uhr dort ankomme, ich noch kurz in den Garten gehe und etwas gegen das Sodbrennen bekomme. Ach, nebenbei haben wir noch besprochen, dass das Fluoxetin abgesetzt wird, weil sich das nicht mit dem Anafranil verträgt. Das Anafranil ist das eigentliche Problem, hilft mir aber bei den Zwängen. Gerade jetzt kann und will ich das nicht absetzen. Wir lassen’s dann auch erst einmal dabei. Schnell auf Toilette gerannt und dann bemerken, dass ich das nicht zeitlich schaffe, mit dem Garten. Dann quarze ich mir in Ruhe eine. Das hilft ja auch. Nicht so gut, wie die Hühner, aber immerhin. Als ich gemütlich anfange zu rauchen, fällt mir auf, dass ich schonmal losgehen muss, da ich sonst zu spät komme. Alter*! Was ist hier los?

11.15 Uhr Ich bin pünktlich. Wow! Der Therapeutin ist’s unangenehm, dass wir beide so einen schlechten Start haben. Das ist so auch nicht in ihrem Sinne. Ich bin auch ehrlich zu ihr und sage ihr, wie’s mir gerade damit geht und, dass ich kurz davor bin, einfach nach Hause zu gehen. Nach einer kurzen Aussprache, darf ich mich hinter das Drum-Set setzen. Das wollte ich schon immer mal machen. Boah, war das kompliziert und schahmbehaftet für mich, da etwas zu produzieren, was sich nach Musik anhören soll. Ab ans Xylophon. Da es mein zweiter Durchgang ist, fühle ich mich da wohler. Zwischendurch sind wir beide voll im Flow. Das hört sich nicht nur nach Musik an, es hört sich sogar gut an. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, es kribbelt… und ich will weglaufen. Das war eine so positive Situation und ich war überfordert. Ich konnre damit nicht umgehen. Mit Schahm kenne ich mich aus, aber das, das war ungewohnt. Unangenehm. Nach einer Analyse durfte ich mir noch etwas aussuchen und ich habe mich für die Hang Drum entschieden. R. hat sich selbst eine und ich würde mich da gerne mal rantrauen. Gar nicht so einfach, gute Töne rauszubekommen. Macht total Spass. Nächste Woche musizieren und reden wir 30 Minuten zusammen und dann darf ich mich 20 Minuten alleine mit der Hang Drum anfreunden. Nichts lernen! Einfach nur spielen und es laufen lassen. Ich bin so steif, verkrampft und zwanghaft, dass das eine sehr grosse Herausforderung wird. Eine, auf die ich mich sehr freue.

12.00 Uhr Ab zum Mittagessen. E. fährt uns zum Rewe und will sofort nach dem Essen, spätestens 12.45 Uhr losfahren.

12.40 Uhr E. kommt gerade von ihrer Therapie und hat sich umentschieden. Stressfrei essen und erst gegen 14.00 Uhr losfahren. Heute stimmt irgend etwas nicht. Sind das alles therapeutische Tests? Das kann nicht wahr sein. Ich bleibe noch bei den anderen bis 13.15 Uhr sitzen und gehe dann doch noch auf mein Zimmer. Einfach nur mal zur Ruhe kommen und die Augen ausruhen.

13.55 Uhr Es klopft an der Tür. E. fragt, ob wir loskönnen. Jau. Ab zum Rewe.

15.00 Uhr Das gemeinsame Schnippeln macht Spass. Zwischendurch kommen wieder Jegendherbergs-Gefühle hoch und wahrscheinlich nicht nur ich vergesse zwischendurch, wo wir eigentlich sind. Als ich ein Messer in die Küche der Pfleger*innen bringe, gibt mir die Pflegerin eine Skillsliste, die ich mir ausfüllen bzw. passendes ankreuzen soll und ein Spannungsbogen, eine Art Tagebuch, in das ich mehrmals täglich den Level meiner Anspannung eintragen soll. Am Wochenende soll ich mir das anschauen und ausprobieren und ab Montag wird’s ernst. Ich find’s gut, dass wir da mal genauer hinschauen.

18.00 Die Maissuppe mit Popkorn schmeckt echt super. Alle sind begeistert. Langsam weicht der innere Druck des Tages den ankommenden Kopfschmerzen. War ein harter Tag. Jetzt kann ich mich langsam entspannen und runterkommen.

18.35 Uhr Ab ins Bett, das Hamburger Stadt-Derby hat schon angefangen. Was für ein Spiel. Ich musste mich echt zusammenreissen, hier nicht rumzuschreien.

21.49 Uhr Morgen geht’s bis Sonntag nach Hause. Gute Nacht!

Tag 10

Donnerstag, 20.04.2023 – Fugendruck und Fankultur

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, Sodbrennen, Schlafprobleme, Angespanntheit

In der Nacht hatte ich mal wieder Sodbrennen, weil ich Abends die Pfoten einfach nicht von den Süssigkeiten lassen kann. Aber ich bereue nichts! Also das Sodbrennen schon, aber nicht die Süssigkeiten. „Merkste selber, ne?“ Ja, ist schon gut…

7.30 Uhr Heute hab ich’s mir verkniffen, vorher rauchen zu gehen. Allein mein Magen freut sich darüber. Dafür gab’s zwei Tassen Kaffee auf nüchternen Ma… lassen wir das! In der Morgenrunde bin ich wieder total verballert und muss stark überlegen, was gestern so war. Das ist gerade sehr erschreckend, wie schnell ich gerade Erlebtes vergesse. Ist ja aber auch viel und noch relativ neu.

8.30 Uhr Heute ist nicht mein Tag. Ich habe noch nicht einmal Lust aufs Werken. Das ist halt manchmal so. Als ich erst einmal an meinem Hocker weiterarbeite, kommt der Spass schon kurz vorbei gehuscht und die Stunde ist dann auch schon wieder vorbei. Morgen kann ich die Hockerbeine anfangen und es gibt wohl das erste Mal auch Muskelkater dazu.

9.00 Uhr Ab zu den Hühnern, Achtsamkeit üben. Jetzt habe ich ein wenig Zeit, kann auf dem Weg R. anrufen und wir können ein wenig quatschen. Die Bank, auf der ich immer sitze ist nass. Das bemerke ich natürlich erst, als ich darauf sitze. Und direkt gegenüber ist ein kleiner Vorbau unter dem trockene Stühle stehen. Erst einmal zuende telefonieren und danach die Hühner mit Gras füttern. Die alten Geier!

Unter dem Vorbau ist’s nicht das Gleiche. Ich kamaber auch nicht auf die Idee, den Stuhl neben die Bank zu stellen. Naturbetrachtung war heute nichts, aber ich hab’s ein wenig versucht und habe die Hühner beobachtet.

Auf dem Rückweg merke ich, dass es mir ganz gut tut, wenn ich die Fugensache ein wenig auslebe und doch ein wenig mehr darauf achte, die Fugen in meinem System, also entweder gar nicht oder die Fugen mit der Fussmitte zu treffen. Das nimmt ein wenig Druck raus, macht mir aber Angst, dass das Ganze dann total aus dem Ruder läuft. Auf jeden Fall werde ich das morgen in der Visite ansprechen.

10.45 Uhr Das erste Mal „Vorblick“. Verstehe nur nicht, warum das erst so spät ist. Das kann ja dann eigentlich nur für den kommenden Tag sein?

Ups! Falsch verstanden. Ich soll noch vor dem Frühstück zum Vorblick kommen und dann auch schon meine Liste fertig haben. Das ärgert mich sehr, dass ich da nicht alleine drauf gekommen bin. Irgendwas ist halt immer…

Für Freitag sieht’s so bei mir aus

  • 06.00 – Wecker
  • 07.00 – Medikamente + Tagestermine
  • 07.30 – Morgenrunde
  • 07.45 – Vorblick
  • 08.00 – Frühstück
  • 08.15 – Werken (bis 9.30 Uhr)
  • 10.00 – Musik
  • 11.00 – Visite
  • 12.00 – Mittag
  • 12.45 – Einkaufen
  • 16.00 – Kochen
  • 18.00 – Abendessen
  • 19.00 – Naturbeobachtung

Auf dem ersten Blick erschlägt mich das ganze Gebilde, aber der Plan tut mir unglaublich gut.

12.00 Uhr Mittagessen Ich kann mich kein bisschen übers Essen beschweren. Alles super und auch lecker. Klar, in den ersten Tagen ging häufiger etwas schief, aber das kenne ich nicht anders. Ich habe ja auch Sonderwünsche. Keine Ahnung, wie viele Menschen in dieser Klinik vegan leben. Auf meiner Station bin ich die einzige veganlebende Person und wir sind momentan 13 Leute. Uh, geile Zahl. Block 13 auf der Südtribüne. Und ich habe meine Dauerkarte einem Arschloch gegeben…

Jetzt erst einmal ein Stündchen (Haha!) schlafen.

15.15 Uhr Pflegegespräch – Zuerst quatschen wir darüber, wie meine Achtsamkeitsübung Namens Naturbeobachtung verlief und haben das einfach mal so stehen lassen. Heute ist einfach nicht mein Tag und ich habe das Beste daraus gemacht. Dann wird mir vorgeschlagen, dass ich mit der Naturbeobachtung aufhöre, da meine Bezugspflegerin und mein Therapeut glauben, dass es für mich gerade wichtiger ist, dass ich einmal Atem- und einmal Körperübungen mache, damit es mir einfacher fällt, unter Menschen zu gehen. In den letzten Wochen hatte ich beim Einkaufen schon ein grundsätzlich hohes Anspannungslevel, bevor ich aus der Wohnungstür bin. Dass ich auf offener Strasse als „Scheiss Schwuchtel“ beschimpft wurde, ist noch gar nicht so lange her und sitzt tief. Ich will so rumlaufen, wie ich mich wohl fühle und in der Masse verschwinden. Das geht aber nicht. Ich bin halt ein bunter Vogel ganz in schwarz gekleidet. Ich will beim Einkaufen Abstand haben, besonders an der Kasse. Dies ist in dieser schnelllebigen Zeit nicht möglich. Alle hetzen von Termin zu Termin, sind im Kopf schon ganz woanders oder haben anderen Stress. Ich versuche das so anzunehmen, aber, wenn ich die Person hinter mir schon Huckepack nehmen kann und dann noch ein “ Können Sie bitte abstand halten?“ rausquetsche, diese dann aber pampig reagiert, platze ich. Und werde beleidigend. Ich möchte dieser Person weh tun. Sie verbal zerstören. Freiheit hört dort auf, wo sie andere einschränkt. Blablabla.

Und hinterher? Ärgere ich mich bis zum geht nicht mehr, dass ich mal wieder mein Maul nicht halten konnte. Jedesmal das Gleiche.

Aber es gibt für mich momentan nur zwei Wege:

  1. Entweder, ich sag nichts und ärgere mich über die andere Person und mich, weil ich nichts gesagt habe.
  2. Oder ich ärgere mich über die Person, weil sie kacke reagiert und über mich, weil ich ausfallend und laut geworden bin.

Bei 1. ist die Gefahr, dass sich der innere Druck immer weiter anstaut und die Explosion die Menschen trifft, die damit gar nichts zu tun haben. Vor allem R. ist davon betroffen. Bei 2. ist der Druck wieder etwas runter, aber immernoch höher, als vor der auslösenden Situation. Eine weitere Situation kann dann schon ausreichen. Was soll ich schreiben? Es ist sehr anstrengend. Ich will Leichtigkeit. Ich will über diese Dinge oder Situationen stehen und auf Augenhöhe mit meinem Gegenüber agieren. Wir versuchen hier alle „nur“ zu (über)leben.

15.39 Uhr C. von der KoFaS, ‚Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit’, und ich haben seit Montag versucht, bzgl. einer Anfrage für eine Zusammenarbeit miteinander zu telefonieren, aber es hat nicht sollen sein. Also hat mir C. jetzt eine fast vierminütige Sprachnachricht mit einer kleinen Beschreibung geschickt. Es geht um trans*-Fussballfans. Yeahi. Ich bin dabei! Läuft bei mir!

15.45 Uhr Ein Zettel für mich klebt an der Tür. Die morgige Musiktherapie muss verschoben werden. Entweder auf 11.00 Uhr oder auf Montag. AAAAH! Ich habe doch gerade erst alles geplant. Und die Zeit für die Visite ist eh schon wenig planbar, da nunmal viele Menschen nacheinander abgearbeitet werden. Ausserdem müssen wir uns ab Snfang der Woche in den Zeitplan der Visite eintragen und somit gibt es heute noch kaum freie Stellen. Ich habe mich extra für 11.00 Uhr eingetragen, damit das alles passt. Es könnte natürlich auch ein therapeutischer Test sein, aber wahrscheinlich ist der Therapeutin einfach etwas dazwischen gekommen. Ich habe dafür aber keine Energie. Dann muss Musik halt auf Montag „verschoben“ werden, bzw. morgen ausfallen. Hab mich so sehr darauf gefreut!

16.10 Uhr Nicht nur meine Eltern und mein Opa kommen zu besuch, sondern auch R. kommt kurz rum. Sie hat Unterlagen für die Kaution der neuen Wohnung, die ich unterschreiben muss. Was für ein Stress. Danke, dass du das alles managed. :-*

Ein wenig im Krankenhaus-Cafè zusammensitzen, Kaffee trinken und quatschen. Das ist schön.

20.47 Uhr Ich liege im Bett und schreibe diese Zeilen. Gute Nacht.

Tag 9

Mittwoch, 19.04.2023 – Kein Schlaf ist auch keine Lösung

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, Schlafprobleme, Angespanntheit

Heute habe ich keine Ahnung, wie meine Nacht war. Ich glaube okay, aber ich fühle mich ganz und gar nicht so. Auch kann ich mich ganz schwer daran erinnern, was gestern alles so war. Ich bin total durch’n Wind. Schon ein wenig erschreckend. So etwas hatte ich nur durch Beruhigungstabletten, weswegen ich lieber ein paar rauche. Beruhigungstabletten sind der letzte Schritt für mich.

7.45 Uhr Am Ende der Morgenrunde zieht eine Person ein Kärtchen und liest dann den Spruch des Tages für alle vor. Ich höre dort immer nur mit halben Ohr zu, aber heute habe ich mit zweieinhalb Ohren zugehört:

„Optimismus Wortschatz- Wie du mit dir selbst und anderen sprichst, prägt auch dein Denken: Unsere Worte bestimmen auch unsere Wahrnehmung – und zwar ganz schön machtvoll!“

Wow! Ich befasse mich schon seit Jahren mit Gewalt in der Sprache, aber so treffend habe ich das noch nie gehört. Und dann geht’s ja hierbei auch darum, wie gewaltvoll ich mit mir umgehe. Das gibt mir jetzt nochmal eine ganz andere Sichtweise auf den Umgang mit mir selbst. Ich bin radikal politisch korrekt, ausser, wenn es um mich geht. Da bin ich noch auf der Stufe, wie vor 10 Jahren. Das ist echt erschreckend! Ich dachte, ich bin in Sachen Selbstliebe weiter.Ich dachte ja auch, dass ich schon gefistigter bin, was meinen Umgang mit meinen Depresdionen und Zwänge angeht, aber das könnte einer der Gründe sein, warum ich doch wieder in der vollstationärer Behandlung bin.

8.15 Uhr Auf dem Weg zum Werken müssen wir durch die Kinderpsychiatrie. Dieser Gang ist immer schrecklich. So viele junge Menschen. Für viele wird dies nicht der einzige Aufenthalt in einer Psychiatrie bleiben. Für viele ist das vielleicht noch nicht einmal der Anfang. Meine erste depresdive Phase muss ich zwischen meinem 8ten und 10ten Lebensjahr gehabt haben, aber würde ich mir wünschen, dies schon so früh rausgefunden zu haben? Ich weiss nicht. Vieles wäre anders gelaufen, aber dafür wäre ich jetzt nicht dort, wo ich jetzt bin. Dies können traumatische Zeiten sein und hätte ich die gern schon als Kind gehabt? Ich weiss nicht. Es ist gut und wichtig, dass Kinder diese Möglichkeit haben. Aber es ist schrecklich so junge Menschen verzweifelt mit erwachsener Begleitung traurig im Flur stehen zu sehen. Es zerreisst mir das Herz.

9.40 Uhr Auf dem Rückweg wären wir fast von vorbeistürmendem Personsl umgelaufen worden. Alle waren total hektisch. Einige von ihnen haben gelacht, andere waren total ernst und sahen erschrocken aus. Als wir in den Fahrstuhl gestiegen sind, kamen dann auch welche durch die sich schliessende Tür gesprungen. „Sie müssen raus! Sie dürfen nicht mitfahren! Ach, ist egal. Macht schnell die Tür zu!“ Und die nächsten kamen angelaufen: „Nehmt uns auch mit!“ Auf der Station angekommen auf der wir alle aussteigen mussten kamen uns einige locker entgegen. „Ist schon gut. Alles erledigt.“

Ruck Zuck macht sich ein Jugendherbergs-Gefühl breit und dann auf einmal kommt der Schlag in die Fresse. Hier ist’s toternst. Das ist kein Spielplatz oder Vergnügungspark. Das hier ist harte Arbeit und beinhaltet krasse Schicksale. Dies ist ein Krankenhaus und wir versuchen hier alle „nur“ zu (über-)leben.

10.00 Uhr Und wieder gehe ich zu meiner Bank im Kräutergarten. Heute werde ich die Augen schliessen, im Hier und Jetzt bleiben und fühlen, wo mein Körper den Boden oder die Bank berührt. Den Wind auf der Haut spüren und hören. Das zwitschern und flattern der Vögel. Das Gurren der Tauben. Die vorbeifahrenden Autos und den Wind, der durch die Bäume fegt. Heute lief es besser als gestern. Das freut mich total. Im Gespräch danach sage ich auch nochmsl, dass es so schade ist, dass mir Achtsamkeit so gut tut und mir hilft, aber, sobald es mir schlechter geht, ich ohne Hilfe nicht darauf zurückgreifen kann. Ich will dies in besseren Zeiten weiter etablieren, damit ich in schweren Zeiten auch darauf zurückgreifen kann. Ich bin auf einem guten Weg, aber dies lässt sich auch nicht so einfach angewöhnen. Ich brauche meine Zeit dafür. So, wie andere, die ihre benötigen. Ich will mir diese Zeit geben, wie ich sie meinem Gegenüber auch geben würde.

11.00 Uhr Gruppengespräch. Die Schalkerin haut heute ab. Schade, ich mag sie. Und ich freue mich sehr für sie. Diese Stunde gehört ihr.

12.30 Nach dem Mittagessen kurz ausruhen und dann geht’s um

13.00 Uhr in die Einzeltherapie. Und das bei dem Therapeuten, der sehr sympathisch ist. Ich freue mich und stehe gleichzeitig sehr unter Druck. Ich erzähle ihm davon, dass mir am Montag aufgefallen ist, dass Fugen immer mehr Druck bei mir erzeugen, ihn aber auch gleichzeitig nehmen, wenn ich sie innerhalb meines Systems treffe. Mir ist bewusst, dass die Zwänge Sicherheit erzeugen sollen, aber, was mir gerade mehr Sorgen bereitet, ist der Gedanke, dass ich mir die Fugenproblematik extra ausgesucht habe und mir diesen Druck nur mache, um mich z.B. selbst zu ärgern. Oder, um mich wichtig oder interessanter zu machen. Oder, um mir die Berechtigung zu verschaffen, hier einen Platz einzunehmen. Oder warum auch immer. Wir haben sehr viel gesprochen. Ich habe momentan so viel, was irgendwie kompensiert werden muss und dafür habe ich die „Sicherheiten“ meiner Zwänge. Alleine die neue Situation mit einer neuen Klinik. Neuen Menschen. Neuen Zeiten. Neuen Aufgaben. Das muss alles irgendwo hin.

14.30 Uhr R. und ich können unseren neuen Mietvertrag abholen. Ich trage mich aus und nehme mir die drei Stunden Zeit, die mir täglich zur Verfügung stehen. Was für ein Tag. Ich konnte heute kein Schläfchen halten und hatte einen Termin nach dem anderen. Dafür haben wir im Anschluss noch gemütlich Döner gegessen.

18.00 Uhr Abendessen. Im Anschluss setze ich mich noch mit den 3 anderen aus unserer Kochgruppe zusammen und planen den Freitag. Ich habe da so keinen Bock drauf. Auch, wenn das Essen zufällig schon vegan ist. Was soll’s.

20.40 Uhr Heute habe ich es nicht geschafft, ein wenig etwas für den heutigen Blogeintrag vorzuschreiben, aber ich bin jetzt fertig, veröffentlich ihn, hau mir Musik auf die Ohren und schlafe dann gleich. Gute Nacht! :-*

Tag 8

Dienstag, 18.04.2023 – I can’t get no Desinfection

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, Schlafprobleme, Angespanntheit

Die letzte Nacht war weniger unruhig als sonst, allerdings fühle ich mich 0 ausgeschlafen. Fühlt sich auch so an, dass eine Erkältung im Anmarsch ist. Bah!

7.30 Uhr In der Morgenrunde machen wir zuerst Stretch-Übungen auf’m Flur und das schön bei Bohrmaschinengeräuschen von einer anderen Etage und Menschen aus der Station nebenan, die vorbeihuschen. Danach eine schnelle Befindlichkeitsrunde.

7.50 Uhr Schnell die Tabletts verteilen. Ich gebe sie an und meine Tablett-Partnerin verteilt diese an die richtigen Plätze. So kann’s weitergehen.

8.25 Uhr Ich habe mich so darüber gefreut, dass ich heute nur Werken habe und jetzt stehe ich auf der Aufgabenliste für Übungen mit dem Pflegepersonal. Ist zwar nichts besonderes, aber ich war darauf nicht vorbereitet. Da ich, seit ich hier bin, von der Liste verschont geblieben bin, dachte ich, ich bekomme den ersten Termin erst nach meinem ersten Therapiegespräch und das ist erst morgen. Wat soll’s.

Die Naturübung tut mir bestimmt ganz gut. Ich setze mich alleine in den Wald oder ähnliches, schliesse die Augen und fühle mit meinen Sinnen, was mir so auffällt. Achtsamkeit ist mir wichtig und hilfreich. Wenn’s mir allerdings schlecht geht, kann ich auf nichts zurückgreifen und ich bin durch meine anderen 4 Aufentahlte in Kliniken echt gut gerüstet. In einem Ordner habe ich sämtliche Notizen und Edukations¹-Formulare und in einem Notfallkoffer, bzw. -Schuhkarton, habe ich viele Sachen, die mir gut tun. Dort gehe ich nie dran. Ich sollte dies etablieren und jeden Tag kurz rangehen, damit ich das vielleicht auch in schwereren Zeiten nutzen kann.

9.30 Uhr Nach dem Werken geht’s erst einmal zurück zur Station. Heute bin ich wieder einmal ins Schwitzen gekommen, aber dafür ist die Auflagefläche des Hockers auch schon rund. Ich fand’s schon immer schön, etwas zu erschaffen. Gerade, wenn viel Zeit und Schweiss investiert wurde, hat es auch emotionalen Wert. Ich freu mich schon den Hocker in unserer neuen Wohnung zu benutzen.

12.00 Uhr Das Mittagessen ist nicht das, was ich auf meinem Zettel angekreuzt habe, aber wir müssen unsere Zettel nicht abgeben, sondern gut sichtbar im Zimmer positionieren. Und heute stand die Essens-Managerin im Zimmer, als ich mir gerade mein Gesicht rasiert habe. Das war mir so unangenehm, weil ich dort oben ohne stand, weswegen ich gar nicht darauf kam sie auf meinen Zettel aufmerksam zu machen. Sie wollte nämlich wissen, was ich morgen essen möchte. Komisch. Aber gut, ist halt so. Bis jetzt hat alles super geschmeckt.

13.00 Uhr Ich gehe jetzt ein Stündchen (HAH! Wer’s glaubt!?!) schlafen, dann kann ich die Naturübung vollziehen und um 15.30 Uhr habe ich das Gespräch mit der Pflegerin.

14.30 Uhr Ich quäle mich aus dem Bett, nur, um meinen Gesprächstermin auf 17.00 Uhr zu verschieben. Ich bin so müde und kaputt.

15.50 Uhr Ich hab’s tatsächlich geschafft rauszugehen. Aber wohin soll ich jetzt? Wie kommt Mensch schnell in den Wald? Ich gehe einfach mal zur Rückseite und finde den Klinikgarten. Mhmm, gehe ich eben hier rein. Hauptsache Natur und Achtsamkeit. Achtsam zu sein war gar nicht so einfach. Habe ich schon sehr lange nicht mehr bewusst gemacht. Es fällt mir sehr schwer, mich auf einzelne Sinne zu konzentrieren. Ruck zuck bin ich Reizüberflutet und gehe nach 15 Minuten wieder rein. Das war das erste Mal seit meinem Einzug, dass ich etwas länger vor der Tür war. Rauchen zählt nicht und das Wochenende auch nicht. Momentan brauche ich viel Schlaf und versuche ihn mir zu genehmigen. Bin ja in der Klinik und die nächsten Wochen werden mich langsam aufbauen.

17.00 Uhr Ganze 5 Minuten hat das Gespräch mit der Pflegerin gedauert. Alles sehr unspektakulär. Ich soll mich morgen einfach auf einen kleinen Punkt oder ein Insekt konzentrieren und schauen, was drumherum ist. Find ich gut.

Da es um 18.00 Uhr Abendessen gibt, lohnt sich das hinlegen nicht, bzw. wäre es kontraproduktiv. Ich lese ein wenig im „100 Jahre St. Pauli“-Buch, welches echt gut geschrieben ist. Interessant ist es auch noch.

19.00 Uhr Jedesmal, wenn ich an den Seifenspendern das Wort Desinfektion lese, muss ich an das Lied Desinfection von den Rolling Stones denken…

I can’t get noooho

Desinfection

caus I try! and I try! and I try!…

Gute Nacht!

¹https://de.m.wikipedia.org/wiki/Psychoedukation „Psychoedukation ist eine systematische und strukturierte Vermittlung von wissenschaftlich fundiertem Wissen über zumeist psychische Krankheiten.“

Tag 7

Montag, 17.04.2023 – Danke Merkel!

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Schlafprobleme, Angespanntheit, Schizofrenie

Die beiden, die sich gestern fast gekloppt haben, stellten sich als eine schizofrene Person raus, bei der momentan die Medis umgestellt wurden. Das tut mir so leid. Mensch vergisst sehr schnell, wo wir hier sind. Das ist kein Ferien-Camp. Wir haben alle unsere Päckchen zu tragen.

6.30 Uhr Ich hatte mal wieder eine sehr unruhige Nacht und komme sehr schwer aus dem Bett. Der Mensch von gestern Abend steht auch schon wieder gefühlt unterm Fenster und disskutiert. Erst einmal Zähne putzen und dann eine rauchen.

7.15 Uhr Auf dem Rückweg vom Rauchhäuschen fällt mir auf, dass mir Fugen auf dem Boden ordentlich Druck mach, es aber auch gut den Druck nimmt, wenn ich sie in meinem System erwische. Der Kontrollzwang sorgt dafür, dass Aussenstehende nicht sehen dürfen, dass ich „bekloppt“ bin (ich benutze hier absichtlich ableistische Sprache, da es genau das ist, was in meinem Kopf vorgeht). Um das Ganze ein wenig in Einklang zu bringen habe ich ein spezielles System, wie ich Fugen erwischen muss. Das hatte ich schon ewig nicht mehr und ich habe Angst, dass ich das extra mache, um kränker zu sein. Damit ich so zu sagen eine Berechtigung für meinen Platz hier habe. Oder, um mich „wichtiger“ zu machen. Oder keine Ahnung. Ich mache mir zu viele Gedanken. Jetzt erst einmal ab in die Morgenrunde.

7.30 Uhr “ Mein Wochenende war eigentlich sehr schön, aber sehr anstrengend. Ich hatte eine sehr unruhige Nacht und worauf freue ich mich denn heute?… Auf das Ende des Tages!“ Theatralischer geht’s nicht, aber ich will diesen Tag einfach nur verpennen. Und zwischendurch rauchen…

8.00 Uhr Diese doch noch neue Umgebung und jetzt die noch hinzukommenden Termine, die alle ordentlich Druck aufbauen, machen mir gerade sehr zu schaffen. Ich bin schon einmal zu spät gekommen. Kacke! Heute habe ich zum ersten Mal Musiktherapie und habe gehört,  es gibt sogar ein Klavier. Da habe ich total Böcke drauf und gleichzeitig wahnsinnig Angst, zu versagen. Das ist mein erster Klinilaufenthalt, an dem ich total Spass an dem handwerklichen Zeug habe und jetzt noch Musik mit Klavier. Ein Traum. Hoffentlich geht das „Alb“ dieses Traumes in den nächsten Tagen bzw. Wochen flöten und ich kann das alles besser geniessen. Mir ist bewusst, dass ein Klinikaufenthalt harte Arbeit bedeutet, aber wenn ich schon die Chance habe, ordentlich Spass dabei zu haben, versuche ich kein schlechtes Gewissen zu haben, bzw. diesem schlechten Gewissen keinen Raum zu geben.

11.00 Uhr Gruppentherapie. Nach der kurzen Einführungsrunde, in der wir kurz unser Empfinden ansprechen, will ich unbedingt die Kacke mit den kack Fugen ansprechen. Das erhöht den hohen Druck gerade eh nochmals um einiges. Da ich mich aber auch nicht in den Mittelpunkt stellen will, warte ich noch ein bisschen, bis ich mich zu Wort melde. Tja. Da war jemand sehr schnell und wir kümmern uns in der Sitzung um sein Thema. Pech! Hoffentlich bekomme ich bald ein Einzelgespräch…

12.30 Uhr Jetzt zum Nachtisch erst einmal eine halbe Tafel Schoki inhalieren, dann Kopfhörer in die Ohren und noch eine Stunde pennen. Danach kann ich mich langsam fertig machen, um um 14.10 Uhr bei der Musitherapie zu sein. Ich stelle mir zwei Wecker. Einen auf der Uhr den anderen im Handy. So kann nichts schief gehen.

Die Tür springt auf, die Pflegerin kommt reingestürmt und holt mich aus’m Tiefschlaf. „Sie haben Musiktherapie! Sie werden erwartet!“ Ich gucke halb verschlafen auf die Uhr: Viertel nach! AAAAAH! Wie kann mir so etwas schon wieder passieren? Das darf nicht wahr sein. Echt nicht. Schnell anziehen, einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche nehmen und dann ab dafür. Am liebsten würde ich an dem Therspie-Häuschen vorbeilatschen und abhauen. Das ist mir so unangenehm. Das bin nicht ich. Unterwegs schaue ich nochmal nach, ob die Wecker überhaupt geklingelt haben. Äh!?! 13.30 Uhr? Was ist da denn los? An der Tür werde ich schon mit einem vorwufrsvollem Blick erwartet. Dann stellt sich heraus, dass die Therapeutin die Uhrzeit in meinem Plan falsch eingetragen hat. Es lag nicht an mir? Jau. Puh! Jetzt ’ne Kippe. Oder ein Bett. Oder eine Kippe im Bett. Wie früher im Kinderzimmer.
Eigentlich hätte ich von 13.10 Uhr bis 13.50 Uhr Musik gehabt und wir quatschen kurz zum kennenlernen. Ich erkläre ihr, warum ich hier bin und was ich mir wünsche. Dann bekomme ich ein Xylophon vorgesetzt und wir Jammen einfach eine Runde. Sie begleitet mich mit dem Klavier. Das ist mir so peinlich, aber ich fange einfach an. Und es hört sich sogar richtig gut an. So richtig. Ich will gar nicht mehr aufhören. So gar nicht. Einfach nur geil. So etwas habe ich noch nie gemacht.

14.10 Uhr Ich liege im Bett und muss das alles erst einmal verdauen. Was für ein Chaos. [Nicht Anarchie! 😉 ]Anarchie bedeutet Herrschaftslosigkeit, Gleichberechtigung aller, keine Nationen und Grenzen. Utopie? Ja. Werde ich nie erleben? Auch ja. Na und? Ich will mir an meinem Sterbebett in die Augen gucken können und das könnte ich momentan. Natürlich lebe auch ich in meinen Augen nicht perfekt. Ich versuche in diesem System zu (über-)leben. Wie alle anderen auch. Dazu kann ich „Manifest“ von Früchte des Zorns empfehlen. Genau das!

15.30 Uhr Erst einmal ein Stündchen pennen…

17.30 Uhr Der Wecker holt mich schon das dritte Mal aus’m Schlaf. Dieses Stück Scheisse! (Das ist eine politisch korrekte Beleidigung!) Eigentlich würde ich auf das Abendbrot verzichten und bis morgen früh durchpennen, aber danach ist noch Stationsversammlung. Dann kann ich auch vorher aufstehen und etwas Essen. Ich habe jetzt auch endlich einen Termin für mein erstes Therapiegespräch. Und dann noch mit dem Arzt, der sehr sympathisch ist und der schon die Gruppentherapie leitet, die ich Montags und Mittwochs habe.

18.30 Uhr Auf der Stationsversammlung am Montag werden die Ordnungsdienste verteilt. Ich werde morgens die Frühstück-Tabletts verteilen. Aber auch nur, weil ich das nicht alleine machen muss. Ich kann mir schon keine Namen merken und schon gar nicht die Sitzordnung. Ich dachte mir, dass ich zwei Dienste ganz gut hinbekomme und meldete mich noch mit drei anderen für den Küchendienst. Müll entsorgen, Tische abwischen und so. Das ist easy.

Und dann kommt’s. Die allseitsbeliebte Kochgruppe, die am Freitag für alle kocht. Ich will nicht, aber die anderen auch nicht. Nachdem sich partout keine vierte Person finden lassen wollte, wurde ich weich. Ich habe klar gemacht, dass ich nichts unveganes anfasse oder zubereite. Damit sind die Leute einverstanden und ich bin dann nächste Woche erst einmal raus da und kann das nächste Mal Kochgruppe dann ein paar mal hinauszögern. Toll ey. Danke Merkel!

19.30 Uhr Oh! Hab ganz vergessen, dass ich heute noch nicht duschen war. So bin ich dann noch ein wenig länger aus’m Bett. Das kann nicht schaden.

21.00 Uhr Mein Bettnachbar macht noch Birds of Prey auf seinem iPad an und stellt es zwischen unsere Betten auf ein Nachtschränkchen. Gute Nacht.

Tag 6

Sonntag, 16.04.2023 – 2,3

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Schlaganfall, Behinderung, trans* Feindlichkeit, Tabakkonsum

Letzte Nacht konnte ich ganz schwer einschlafen. Das lag nicht nur am Umstand, dass ich mich verspätet habe. Jemand hat wieder geweint und zusätzlich hat mich der Tag total aufgewühlt. Es war so schön, gleichzeitig ist so viel los. Bevorstehender Umzug ab nächsten Monat und das Gefühl, dass ich R. alleine in diesem Chaos lasse. Ich werde 6 Wochen vom aktuellen Semester verlieren. Meine Rente läuft Oktober diesen Jahres ab und ich weiss nicht, ob ich wieder zum Amtsarzt muss.

Das war die Hölle für mich. Als ich 2018 die Rente beantragt habe, wurde diese abgelehnt, woraufhin ich Einspruch erhoben habe. Deswegen musste ich zum Amtsarzt. Dieser hat mich auseinander genommen, mich klein gemacht und ich habe mich auch noch total unterworfen. Danach war ich erst einmal nicht mehr zu gebrauchen. Deswegen habe ich einen Betreuer vom betreuten Wohnen beantragt. Ich gehe dort nie wieder alleine hin. Nie! Und was ist generell, wenn ich jetzt auf einmal keine Rente mehr bekomme? Das wäre echt uncool. Ich kann noch nicht wieder arbeiten gehen. Ich kann ja kaum einkaufen gehen, ohne , dass ich rumschreie oder beleidigend werde, bzw. jederzeit kurz vorm Explodieren bin. Ich hab Angst, das macht mich fertig. Kippchen? Jau! Und danach Mucke. Und rasieren. Und frühstücken. 2,3 Yeahi!

8.40 Uhr Musik beruhigt ungemein! R. schreibt mich gerade an, als ich fertig bin mit dem Frühstück. Dann mal eben abmelden… Im Fenster des Pflegepersonalraumes hängt wieder der Zettel „Bin gleich wieder da!“. Im Nebenraum wird umgeräumt, also ab zur Tür nebenan. An der hängt der Zettel „Bitte nicht stören, Gespräch (oder Therapie oder so ähnlich)“. Es hört sich nicht nach einer Unterredung an und wenn dies tatsächlich eins ist, fliegen dort ordentlich die Fetzen. Was mache ich jetzt? Ich kann da nicht anklopfen und hoffe, dass die Person zwischendurch mal um die Ecke schaut. Nach ca. 10 Minuten warterei, in denen sich immer mehr Druck aufbaut, kommt die Pflegerin rum: Warum klopfen Sie den nicht?“ Weil ich das respektieren möchte und muss, dass Sie nicht gestört werden will. Es ist so angezeigt. Natürlich habe ich mich gefragt, ob das Schild an der Tür vom letzten Gespräch dort noch hängt, aber ich bin gestern schon negativ aufgefallen. Wenn ich da jetzt etwas falsch mache, baut sich da zu viel auf einmal auf und ich werde noch unsicherer. Dann warte ich lieber. Damit kann ich erst etwas kaputt machen, wenn R. schon auf mich wartet, aber solange ich die Zeit habe, investiere ich diese dann halt und überlege bei Bedarf neu. Das Ende vom Lied ist, dass ich abhauen darf. Natürlich habe ich mich nochmal für gestern entschuldigt. „Wenn Sie das jetzt nicht erwähnt hätten, wäre es gar nicht aufgefallen!“ Das ist nicht Sinn der Sache und ausserdem werde ich das auch in der ersten Therapiesitzung ansprechen, dass mich so etwas Tage verfolgt und ich die nächsten Beurlaubungen wahnsinnig unter Druck stehen werde. Ausserdem will ich das geklärt haben.

9.30 Uhr noch eine ins Gesicht stecken und auf R. warten. Dieses Mal bin ich vom Frühstück so satt, dass ich kein zweites Frühstück zelebriere, aber Kaffee trinke, während R. frühstückt.

12.00 Uhr Wir haben’s tatsächlich geschafft, ein wenig für den Umzug umzuräumen und Kisten zu packen. Mein Kleiderschrank ist jetzt schon leer, dafür habe ich ja jetzt einen in der Klinik.

13.30 Uhr Zusammen mit anderen Punks St. Pauli in einer Cafè-Bar in Dortmund gucken. Puh! Ich dachte echt, das Spiel wird besser als das gestrige vom BVB. Fussballtechnisch kein gutes Wochenende.

16.30 Uhr Schön noch ein wenig kuscheln, Nussecken und Kuchen futtern und dabei in das Spiel Bremen gegen Freiburg reinschauen. Vielen Dank für dieses schöne Wochenende, liebe R.! :-*

18.30 Uhr Wenn mein Bettnachbar mir nicht Bescheid gesagt hätte, hätte ich beinahe auch noch die Stationsversammlung verpasst. Die Therapeutin ist sauer, weil mindestens 3 Leute zu spät zurückkamen. Das gab vor versammelter Mannschaft nochmal ’ne Ermahnung für alle. Und wegen gestern wurde ich extra erwähnt und angesprochen. Vielen Dank. Das habe ich gebraucht. Als wenn ich mir so nicht schon genug Vorwürfe machen würde. Natürlich kann sie nicht wissen, wie’s in meiner Birne aussieht, aber das ist doch schon längst geklärt gewesen. Ich habe es doch schon angesprochen. Gut, ich hätte den Ernst der Lage genauer ansprechen sollen. Dies habe ich dann in der Runde gemacht, in der wir kurz unser Wochenende zusammenfassen sollten. Sie hat mir dann mehrmals gesagt, dass ich mir keinen Kopp machen soll, da das ja auch meine erste Woche ist. Das weiss ich auch. Habe ich ja selbst auch so gesagt.

19.30 Uhr Draussen machen zwei Menschen lärm. Sie schreien beide mit krächzenden Stimmen unverständliches Kauderwelsch und werden immer lauter, unverständlicher und aggressiver. Ich will doch einfach nur pennen… Gut, dass ich meine Kopfhörer eingepackt habe und jetzt auch zum schlafen Mucke hören kann.

Tag 5

Samstag, 15.04.2023 Studanny / Kommilitanny

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalt, Tabakkonsum, Essen, Angespanntheit, Prüfungsangst, Versagensangst, Reizüberflutung

Als ich gestern Abend gerade schlafen wollte, habe ich nochmal schnell geschaut, ob das Ergebnis meiner Hausarbeit endlich online ist und, was soll ich schreiben? Ich copypaste mal: „2,3! Ich habe nicht nur bestanden, ich habe eine 2,3! Ich glaub’s nicht. Ich bin jetzt Studanny!“ Damit habe ich echt nicht gerechnet, da es mir seit August 2022 mental immer schlechter ging. Ich habe es zwar geschaft mehrmals die Woche in die örtliche Bibliothek zu gehen und zu lernen, aber die Hausarbeit war doch noch um einiges herausfordernder.

Ich hatte Angst davor zu verkacken und mir zu beweisen, dass ich nicht studieren sollte. Ich bin Arbeiter*innenkind und die erste Person in meiner Familie, die studiert. Ich habe eine Hauptschule besucht.

Es läuft so gut bei mir. Ich sollte niemanden den Platz in der Klinik wegnehmen! Ich habe hier nichts verloren. Diese scheiss Krankheit. Ich hab’s so gut und trotzdem geht’s mir so schlecht. Ey, Studanny! Bleib mal locker. Studanny haben wir mich schon länger genannt. A., eine sehr gute Freundin hat mich gestern Komilitanny genannt. Fand ich auch gut. Ich hasse dieses elitäre Wort Kommiliton*in, aber das finde ich gut. Danke A..

6.30 Uhr Boah! 2,3! Wie gut ist das denn? Erst mal chillen. Oder ich drehe mir eine und dann chille ich. Oder, ich chille ein wenig, drehe mir eine, rauche und chille dann wieder. Um 8.00 Uhr gibt’s Frühstück. Danach gehe ich in den Tagesurlaub. Wat’n Stress!

8.10 Uhr Frühstück wie gehabt, ohne Honig! Ja geil.

8.34 Uhr (Die Sekunden weiss ich nicht mehr!) Es ist soweit. R. bekommt die Nachricht aller Nachrichten. „Guten Morgen. Ich bin soweit! :-)“

8.45 Uhr Da die Reinigungskraft gerade in unserem Zimmer ist, setze ich mich kurz ins Wohnzimmer, um dort nicht zu stören und schaue in die dort rumliegende Zeitung von heute. Ich kann’s nicht fassen! Die Herta-Spieler mussten schon wieder ihre Trikots ausziehen, weil sie mal wieder verkackt haben und das noch gegen GE. Das letzte mal Trikotabzug ist noch gar nicht so lange her. Lächerlich! Ich finde ja, dass die Ultras sich gestern auch keine Mühe gegeben haben und sie ihre T-Shirts… Äh. Richtige Macker laufen ja eh schon oben ohne rum, dann müssen se halt ihre Schlüpper abgeben. Oder so.

9.45 Uhr Ich habe mich bei der Therapeutin abgemeldet und kann tatsächlich bis Abends wegbleiben. Das ist komisch, den Safespace so schnell wieder zu verlassen, aber ich will zu R., Fussball gucken und auf den Geburtstag von S.. Schaunwama.

10.00 Uhr Auf dem Weg holen wir noch Brötchen, halten noch am Supermarkt und holen uns noch Tiefkühlpommes fürs Mittagessen. Endlich wieder vernünftiges Essen, ey!

15.30 Uhr Boah! Gegen Stuttgart wird’s bestimmt schwer und das Gute ist, dass, wenn Stuttgart gewinnt, GE wieder auf den Vorletzten Platz landet. Also ist doch alles…

WOW! Dazu schreibe ich jetzt nichts mehr.

18.00 Uhr Schnell noch zum Geburtstag fahren und kurz Hallooo sagen. Sind nicht viele Menschen da und ich bin trotzdem sofort reizüberflutet. Ich bereue es aber nicht. Ganz im Gegenteil!

20.30 Uhr Wow! Eine halbe Stunde früher in der Klinik, als ich sein müsste. Das ist Perfekt. Wenn ich etwas hasse, dann das wenn ich zu spät komme. Am Fenster des Pflegeraums klebt ein Zettel. Die Nachtschicht ist krank und somit sollen sich die Leute fürs Zurückmelden in der Station nebenan melden. Kein Ding, mach ich. Als ich mit der Person spreche, sagt sie so:“ Wir haben schon versucht, Sie anzurufen!“ „?????“ “ Ja, wir haben Sie für 20.00 Uhr erwartet.“ „?????????“ „Ist nicht schlimm. Sie sind ja jetzt da.“ Ich will nach Hause. Das ist das schlimmste für mich. So peinlich. Das werde ich mir die nächsten Tage erst einmal schön immer und immer vorwerfen. So habe ich wenigstens etwas zu tun. So ein Kack.

Gute Nacht. 🙁

Abhängen bei den Anthros

Seit dem 11.04.2023 bin ich in vollstationärer psychologischer Behandlung in der Klinik in Herdecke. Hier bin ich, weil diese Klinik für mich zuständig ist und ich leider nicht länger warten kann.

Um mit dieser Situation besser umgehen zu können, habe ich mich dafür entschieden, diesen Blog als Tagebuch zu erstellen und täglich meine Erlebnisse und Gedanken zu veröffentlichen.

Einerseits können mir nahestehende Personen so mehr über mich Erfahren, weil ich nie so viel erzählen würde. Andererseits hoffe ich so, nicht zu viel runterschlucken zu müssen und ein wenig Druck von mir nehmen zu können.

viel Spass beim lesen

Tag 1, 11.04.2023Erst einmal eine ins Gesicht stecken

Tag 2, 12.04.2023Migräne

Tag 3, 13.04.2023vermatscht

Tag 4, 14.04.2023MillernTon

Tag 5, 15.04.2023Studanny / Kommilitanny

Tag 6, 16.04.20232,3

Tag 7, 17.04.2023Danke Merkel

Tag 8, 18.04.2023I can’t get no Desinfection

Tag 9, 19.04.2023Kein Schlaf ist auch keine Lösung

Tag 10, 20.04.2023 – Fugendruck und Fankultur

Tag 11, 21.04.2023 – Stress und Maissuppe

Tage 12 + 13, 22. + 23.04.2023 – Wochenende, 3 Punkte, Aufstiegskandidat und Spitzenreiter

Tag 14, 24.04.2023 – Spannungskurven und Spaziergänge

Tag 15, 25.04.2023 – schachten im Bett

Tag 16, 26.04.2023 – schlechte Laune, bester Tag

Tag 4

Freitag, 14.04.2023 MillernTon

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Schlaganfall, Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, missgendern, trans* Feindlichkeit, Sodbrennen, Schlafprobleme, Angespanntheit

6.00 Uhr Sehr unruhige Nacht gehabt. Und Sodbrennen. Keine Ahnung, warum. Die Drittel Tüte Flips kann es ja nicht gewesen sein…

7.30 Uhr Wieder eine kurze Morgenrunde. „Mein gestriges Highlight war das Cappuccino-trinken mit R. und das ich meine Schlappen endlich habe. Meine Nacht war wie immer unruhig und anstrengend. Ich freue mich heute tatsächlich auf die Visite, weil dann ein paar Fragen beantwortet werden.“ Frage mich, warum es wichtig ist, dass wir den Sprecher*innen-Ball zuwerfen und nicht geben sollen. Ich hasse das!

8.00 Uhr wieder verspätetes Frühstück und ich steh sofort unter Druck, weil wir um 8.15 Uhr losgehen zum Werken. Mir ist bewusst, dass die Küche nicht nur uns beliefert, aber diese Situation macht mir den Tag nicht einfacher. Ausserdem ärgere ich mich immernoch sehr über meinen Tablett-Fopaux. Das wegbringen des Tabletts hat mir so schon genug Stress bereitet, aber jetzt ist es um einiges schlimmer.

10.00 Uhr Das Werken war wieder super. Der Betreuer ist auch voll Sympathisch. Ich habe mich zwischendurch auch schon gefragt, wie teuer wohl so ein gebrauchter Werktisch ist. Meine Mitpatientin hatte schonmal geschaut. Ab 79,-€. Hoa! Interessant!

10.15 Uhr Der Druck steigt erst jetzt, aber dafür ins Unermessliche. Scheiss wichtige Termine! Ganz vergessen was für einen Druck ich bei solchen Terminen immer verspüre. BAH!

12.00 Uhr Dass Mensch ein wenig warten muss, ist klar. So lange hat sich dass wohl auf dieser Station aber noch nie hingezogen. Ich war für 10.45 Uhr eingetragen. Wenigstens bin ich ab 10.30 Uhr zu den Wartenden gegangen und hatte ein paar gute Gespräche. Mit wem? Dem neuen Schlacker, der gestern angekommen ist. Langsam wird’s peinlich… Er hat sich erst gar nicht getraut, sich dahingehend zu outen, weil er schon öfters einen drauf bekommen hat. Weil er Fan eines bestimmten Vereins ist. Das ist Fussball! Typensuppe! Thesto! Riesige, enorme…

Auswärtsfahrten.Ich war von ca. 2009 bis 2012 aktiv in der Fanszene Dortmund. Dies war der Beginn, meiner politischen Karriere. Irgendwann habe ich mich gefragt, warum ich soviel Zeit und Geld in ein Unternehmen investiere, welches Millionen macht. 2012 kamen dann die zwei Schlaganfälle und ich habe mich langsam vom Fussball weg hin zum Tierrecht entwickelt. Das war eine sehr gute und auch wichtige Zeit. Ich trauere doch aber auch seit Jahren meiner Dauerkarte für Block 13 auf der Südtribüne nach. Vor allem, weil sie jetzt der damalige Mann meiner Cousine hat. Pfui! Egal. Diese Entwicklung war schon gut. Seit 2 Jahren bin ich jetzt wieder aktiv und das deutschlandweit. Vor allem für trans* Menschen in den Stadien, aber auch gegen jede Art der Diskriminierung in und um den BVB und deutschlandweit. Das macht Spass. Ist aber auch mit sehr vielen Privilegien und Kontakten verbunden. Fühlt sich manchmal schon komisch elitär an. Das ist wohl auch der Reiz daran.

17.00 Uhr AAAAH! Ich wollte nur eine Stunde pennen und daraus sind dann 3 geworden.

Oh, kacke! Ich habe Debbie vom MillernTon-Podcast bzw. „Female St. Pauli Stories“-Podcast fast vergessen. Schnell einen Lebenslauf zusammenpasten (wird ausgesprochen: zusammenpäisten) und ab dafür. Dieses Jahr sind schon einige Anfragen reingekommen. Auf das Interview mit Debbie zum Thema „trans* Fussballfans“ freue ich mich ganz besonders. Langsam fühle ich mich auch in der Fanszene von St. Pauli heimisch. schwarzgelbbraunweisse Liebe halt

18.00 Uhr Jetzt gibt’s das Freitagabend-Gemeinschaftsessen. Wenn Anfang der Woche die Wochenämter vergeben werden, gibt es zwei oder mehr Menschen (Uh, schon lange nicht mehr „Meermenschen“ von Moop Mama gehört), die für alle kochen. Heute gab’s Spaghetti Bolognese. Eine normale Pfanne mit gutem Fleisch und eine vegane. Boah, war das lecker.

19.00 Uhr Eine quartzen und wieder ein sehr gutes Gespräch mit dem Schalker (Ich werde langsam weich und benutze das böse Wort mit Sch) geführt. Da ich auf meiner Jacke einen „Stay queer, stay Rebel“-Aufnäher habe, hat er gefragt, ob ich den „nur“ aus solidarität habe oder ob da mehr dahintersteckt. (HAH! Welches Statement! Ich muss immernoch darüber lachen!) Nach meinem Outing hat er sich erst einmal nach meinen Pronomen erkundigt. Das war sehr schön. Vielleicht schaffe ich es heute noch, mich bei meinem Bettnachbarn zu outen. Ich weiss, er ist cool, aber irgendwie gibt es nie einen perfekten Zeitpunkt. Als wenn es diesen überhaupt geben kann…

20.25 Uhr Post feddich machen Schoki futtern und ne Runde Schach gegen den PC, also einer App und gegen den Computer. Auf dem Handy. Ihr wisst schon. Ich schreibe „Ihr“, weil mehr als zwei Leute behaupten, dass sie mein Zeugs lesen.

20.25 Uhr und 55 Sekunden Gute Nacht! Sodbrennen verpiss dich! Äh, komm gar nicht erst an!