Tag 8

Dienstag, 18.04.2023 – I can’t get no Desinfection

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, Schlafprobleme, Angespanntheit

Die letzte Nacht war weniger unruhig als sonst, allerdings fühle ich mich 0 ausgeschlafen. Fühlt sich auch so an, dass eine Erkältung im Anmarsch ist. Bah!

7.30 Uhr In der Morgenrunde machen wir zuerst Stretch-Übungen auf’m Flur und das schön bei Bohrmaschinengeräuschen von einer anderen Etage und Menschen aus der Station nebenan, die vorbeihuschen. Danach eine schnelle Befindlichkeitsrunde.

7.50 Uhr Schnell die Tabletts verteilen. Ich gebe sie an und meine Tablett-Partnerin verteilt diese an die richtigen Plätze. So kann’s weitergehen.

8.25 Uhr Ich habe mich so darüber gefreut, dass ich heute nur Werken habe und jetzt stehe ich auf der Aufgabenliste für Übungen mit dem Pflegepersonal. Ist zwar nichts besonderes, aber ich war darauf nicht vorbereitet. Da ich, seit ich hier bin, von der Liste verschont geblieben bin, dachte ich, ich bekomme den ersten Termin erst nach meinem ersten Therapiegespräch und das ist erst morgen. Wat soll’s.

Die Naturübung tut mir bestimmt ganz gut. Ich setze mich alleine in den Wald oder ähnliches, schliesse die Augen und fühle mit meinen Sinnen, was mir so auffällt. Achtsamkeit ist mir wichtig und hilfreich. Wenn’s mir allerdings schlecht geht, kann ich auf nichts zurückgreifen und ich bin durch meine anderen 4 Aufentahlte in Kliniken echt gut gerüstet. In einem Ordner habe ich sämtliche Notizen und Edukations¹-Formulare und in einem Notfallkoffer, bzw. -Schuhkarton, habe ich viele Sachen, die mir gut tun. Dort gehe ich nie dran. Ich sollte dies etablieren und jeden Tag kurz rangehen, damit ich das vielleicht auch in schwereren Zeiten nutzen kann.

9.30 Uhr Nach dem Werken geht’s erst einmal zurück zur Station. Heute bin ich wieder einmal ins Schwitzen gekommen, aber dafür ist die Auflagefläche des Hockers auch schon rund. Ich fand’s schon immer schön, etwas zu erschaffen. Gerade, wenn viel Zeit und Schweiss investiert wurde, hat es auch emotionalen Wert. Ich freu mich schon den Hocker in unserer neuen Wohnung zu benutzen.

12.00 Uhr Das Mittagessen ist nicht das, was ich auf meinem Zettel angekreuzt habe, aber wir müssen unsere Zettel nicht abgeben, sondern gut sichtbar im Zimmer positionieren. Und heute stand die Essens-Managerin im Zimmer, als ich mir gerade mein Gesicht rasiert habe. Das war mir so unangenehm, weil ich dort oben ohne stand, weswegen ich gar nicht darauf kam sie auf meinen Zettel aufmerksam zu machen. Sie wollte nämlich wissen, was ich morgen essen möchte. Komisch. Aber gut, ist halt so. Bis jetzt hat alles super geschmeckt.

13.00 Uhr Ich gehe jetzt ein Stündchen (HAH! Wer’s glaubt!?!) schlafen, dann kann ich die Naturübung vollziehen und um 15.30 Uhr habe ich das Gespräch mit der Pflegerin.

14.30 Uhr Ich quäle mich aus dem Bett, nur, um meinen Gesprächstermin auf 17.00 Uhr zu verschieben. Ich bin so müde und kaputt.

15.50 Uhr Ich hab’s tatsächlich geschafft rauszugehen. Aber wohin soll ich jetzt? Wie kommt Mensch schnell in den Wald? Ich gehe einfach mal zur Rückseite und finde den Klinikgarten. Mhmm, gehe ich eben hier rein. Hauptsache Natur und Achtsamkeit. Achtsam zu sein war gar nicht so einfach. Habe ich schon sehr lange nicht mehr bewusst gemacht. Es fällt mir sehr schwer, mich auf einzelne Sinne zu konzentrieren. Ruck zuck bin ich Reizüberflutet und gehe nach 15 Minuten wieder rein. Das war das erste Mal seit meinem Einzug, dass ich etwas länger vor der Tür war. Rauchen zählt nicht und das Wochenende auch nicht. Momentan brauche ich viel Schlaf und versuche ihn mir zu genehmigen. Bin ja in der Klinik und die nächsten Wochen werden mich langsam aufbauen.

17.00 Uhr Ganze 5 Minuten hat das Gespräch mit der Pflegerin gedauert. Alles sehr unspektakulär. Ich soll mich morgen einfach auf einen kleinen Punkt oder ein Insekt konzentrieren und schauen, was drumherum ist. Find ich gut.

Da es um 18.00 Uhr Abendessen gibt, lohnt sich das hinlegen nicht, bzw. wäre es kontraproduktiv. Ich lese ein wenig im „100 Jahre St. Pauli“-Buch, welches echt gut geschrieben ist. Interessant ist es auch noch.

19.00 Uhr Jedesmal, wenn ich an den Seifenspendern das Wort Desinfektion lese, muss ich an das Lied Desinfection von den Rolling Stones denken…

I can’t get noooho

Desinfection

caus I try! and I try! and I try!…

Gute Nacht!

¹https://de.m.wikipedia.org/wiki/Psychoedukation „Psychoedukation ist eine systematische und strukturierte Vermittlung von wissenschaftlich fundiertem Wissen über zumeist psychische Krankheiten.“