Tag 11

Freitag, 21.04.2023 – Stress und Maissuppe

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, Sodbrennen, Schlafprobleme, Angespanntheit, Kopfschmerzen

Meine Nacht war wieder sehr unruhig, mit Sodbrennen, aber ich bin jedesmal mit Musik in den Ohren aufgewacht und auch wieder eingeschlafen. Ich habe heute schon wieder so überhaupt keine Böcke. Auf nichts.

7.05 Uhr Ich warte im Wohnzimmer, bis die Pflegekraft kommt, den Tagesplan auslegt, ich meine Medis abholen kann und wir meine Tagesplanung durchgehen können. Mein Tagesplan macht vielleicht mehr Druck, als er nimmt. Mal schauen, wie sich das entwickelt… Zusätzlich läuft hier eine Mitpatientin nervös durch die Gänge, weil sie auch wartet. Das ist alles so anstrengend. Ich will wieder ins Bett!

7.15 Uhr Die ersten to do’s kann ich abhaken und es hat ja nur ein paar Nerven gekostet.

7.30 Uhr kurze Morgenrunde, schnell die Frühstück-Tabletts verteilen. Keine Zeit verlieren.

9.30 Uhr Werken lief wieder super. Die Sitzfläche ist erst einmal fertig und jetzt kommen die Beine dran. Natürlich sollen diese 70 cm lang sein und müssen dann mit querbalken gehalten werden. Ist noch ein wenig mehr Arbeit, aber ich habe ja auch noch mindestens 4 Wochen. Im Anschluss will die Musiktherapeutin mit mir quatschen und schauen, ob wir uns heute noch zusammensetzen. Ich hab so einen Bock auf die Therapie, aber nicht, wenn meine Planung durcheinander wirft. Das macht nicht nur den Plan sondern auch den Tag für mich zu nichte. Ich wollte/musste einfach absagen, aber die Therapeutin ist flexibel und sagt mir, dass ich einfach nach der Visite vorbeikommen soll und wir bis12.00 Uhr dann musizieren. Natürlich sage ich ja. Ich bin viel zu feige, es zumindest anzusprechen, dass sie mir den Tag kaputt macht.

10.30 Uhr noch eine Person vor mir in der Visite. Kacke! Ich schaffe es sogar noch pünktlich. Das wirft den kaputten Plan nochmal durcheinander. Ich kann das nicht. Echt. Das schlägt mir ordentlich auf den Magen.

10.50 Uhr Ich sitze in der Visite. Da es Urlaubszeit ist, schaue ich nur in 3 Gesichter, anstatt in 6. Das ist aber schon schlimm genug. Auch, wenn die 3 Sympathisch sind. Das ist eine unangenehme Situation. Ich komme sofort zur Sache:“ Wir haben gestern angefangen, einen Tagesplan zu erstellen. Das ist super! Nur nicht, wenn jemand etwas durcheinder schmeisst! Ich könnte das zu ersetzende ausradieren. Das sieht dann aber nicht mehr so perfekt aus und deswegen kann ich die allererste Seite nicht verschandeln. Ich könnte die erste Seite auch rausreissen, aber dann ist das Heft kaputt und ich muss es ganz wegschmeissen. Ich brauche eine Verschnaufpause, sonst explodiere ich.“ Das macht mich echt fertig! Der innere Druck ist grundsätzlich schon sehr hoch und dann schmeisst mir jemand meine Planung durcheinander. Das Ende vom Lied ist: Die Musiktherapeutin wird angerufen, dass ich gegen 11.15 Uhr dort ankomme, ich noch kurz in den Garten gehe und etwas gegen das Sodbrennen bekomme. Ach, nebenbei haben wir noch besprochen, dass das Fluoxetin abgesetzt wird, weil sich das nicht mit dem Anafranil verträgt. Das Anafranil ist das eigentliche Problem, hilft mir aber bei den Zwängen. Gerade jetzt kann und will ich das nicht absetzen. Wir lassen’s dann auch erst einmal dabei. Schnell auf Toilette gerannt und dann bemerken, dass ich das nicht zeitlich schaffe, mit dem Garten. Dann quarze ich mir in Ruhe eine. Das hilft ja auch. Nicht so gut, wie die Hühner, aber immerhin. Als ich gemütlich anfange zu rauchen, fällt mir auf, dass ich schonmal losgehen muss, da ich sonst zu spät komme. Alter*! Was ist hier los?

11.15 Uhr Ich bin pünktlich. Wow! Der Therapeutin ist’s unangenehm, dass wir beide so einen schlechten Start haben. Das ist so auch nicht in ihrem Sinne. Ich bin auch ehrlich zu ihr und sage ihr, wie’s mir gerade damit geht und, dass ich kurz davor bin, einfach nach Hause zu gehen. Nach einer kurzen Aussprache, darf ich mich hinter das Drum-Set setzen. Das wollte ich schon immer mal machen. Boah, war das kompliziert und schahmbehaftet für mich, da etwas zu produzieren, was sich nach Musik anhören soll. Ab ans Xylophon. Da es mein zweiter Durchgang ist, fühle ich mich da wohler. Zwischendurch sind wir beide voll im Flow. Das hört sich nicht nur nach Musik an, es hört sich sogar gut an. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, es kribbelt… und ich will weglaufen. Das war eine so positive Situation und ich war überfordert. Ich konnre damit nicht umgehen. Mit Schahm kenne ich mich aus, aber das, das war ungewohnt. Unangenehm. Nach einer Analyse durfte ich mir noch etwas aussuchen und ich habe mich für die Hang Drum entschieden. R. hat sich selbst eine und ich würde mich da gerne mal rantrauen. Gar nicht so einfach, gute Töne rauszubekommen. Macht total Spass. Nächste Woche musizieren und reden wir 30 Minuten zusammen und dann darf ich mich 20 Minuten alleine mit der Hang Drum anfreunden. Nichts lernen! Einfach nur spielen und es laufen lassen. Ich bin so steif, verkrampft und zwanghaft, dass das eine sehr grosse Herausforderung wird. Eine, auf die ich mich sehr freue.

12.00 Uhr Ab zum Mittagessen. E. fährt uns zum Rewe und will sofort nach dem Essen, spätestens 12.45 Uhr losfahren.

12.40 Uhr E. kommt gerade von ihrer Therapie und hat sich umentschieden. Stressfrei essen und erst gegen 14.00 Uhr losfahren. Heute stimmt irgend etwas nicht. Sind das alles therapeutische Tests? Das kann nicht wahr sein. Ich bleibe noch bei den anderen bis 13.15 Uhr sitzen und gehe dann doch noch auf mein Zimmer. Einfach nur mal zur Ruhe kommen und die Augen ausruhen.

13.55 Uhr Es klopft an der Tür. E. fragt, ob wir loskönnen. Jau. Ab zum Rewe.

15.00 Uhr Das gemeinsame Schnippeln macht Spass. Zwischendurch kommen wieder Jegendherbergs-Gefühle hoch und wahrscheinlich nicht nur ich vergesse zwischendurch, wo wir eigentlich sind. Als ich ein Messer in die Küche der Pfleger*innen bringe, gibt mir die Pflegerin eine Skillsliste, die ich mir ausfüllen bzw. passendes ankreuzen soll und ein Spannungsbogen, eine Art Tagebuch, in das ich mehrmals täglich den Level meiner Anspannung eintragen soll. Am Wochenende soll ich mir das anschauen und ausprobieren und ab Montag wird’s ernst. Ich find’s gut, dass wir da mal genauer hinschauen.

18.00 Die Maissuppe mit Popkorn schmeckt echt super. Alle sind begeistert. Langsam weicht der innere Druck des Tages den ankommenden Kopfschmerzen. War ein harter Tag. Jetzt kann ich mich langsam entspannen und runterkommen.

18.35 Uhr Ab ins Bett, das Hamburger Stadt-Derby hat schon angefangen. Was für ein Spiel. Ich musste mich echt zusammenreissen, hier nicht rumzuschreien.

21.49 Uhr Morgen geht’s bis Sonntag nach Hause. Gute Nacht!