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Ein Wahllokal sollte ein save(r) space sein!

Ein Wahllokal ist ein öffentlicher Raum und natürlich kann dieser Raum nicht ansatzweise so gestaltet werden, dass er irgendwie als Savespace bezeichnet werden kann. Aber grundsätzlich sollte dies schon so gestaltet werden, dass es einzelnen Personen nicht besonders erschwert wird.

Dies wurde es mir aber. Ich habe mich dort vorgeführt und ausgelacht gefühlt. Dies geht gar nicht. Ich weiß, worauf ich mich einlasse, wenn ich einen öffentlichen Raum betrete. Es kann nicht sein, dass winzelne Menachen sich zu wichtig nehmen und ihre „Macht“ ausspielen. Dies kann ganz leicht verhindert werden, wenn eine der eingesetzten Personen ein wenig Empathie besitzt und ein klein wenig geschult wurde. Es darf kein „wir gegen die“-Gefühl aufkommen. Das kann sehr schädlich werden.

Zuerst veröffentliche ich meine dazugehörigen Postings, die ich gestern auf Mastodon getätigt habe. Darauffolgend schreibe ich die Situation auf und gehe zuguterletzt genauer darauf ein.

Die Postings: https://lsbt.me/@anny, 23.Feb. 2025, 10.47 Uhr

Ich werde morgen mit meiner dgti-Adresse eine Beschwerde an die Wahlleitung für Bochum schicken, da ich soeben im Wahlbüro in einer Grundschule in Bochum trans*Feindlichkeit, ob bewusst oder unbewusst, erfahren habe.

Wer sonst irgend etwas erfahren oder gehört hat, kann sich gerne (auch anonym) bei mir melden. Ich mache das auch sehr gerne für andere Städte, erledige aber zuerst Bochum. Da wir das „nur“ Ehrenamtlich machen, werde ich bei Bedarf den dgti-Vorstand mit ins Boot holen. Passt auf euch auf! Ihr seid nicht alleine.

Die dgti bietet heute von 17.30 Uhr bis 21.00 Uhr ein Onlineevent an. Um das Ganze ein wenig sicherer zu machen, muss Mensch sich dort vorher anmelden. https://dgti.org/2025/02/20/queer-gewaehlt-event-bundestagswahl-2025/ Niemand muss da alleine durch.

Das Kontaktformular für Nachrichten an mich gibt’s hier: https://dgti.org/beratungsstellen/beratungsstelle-nrw-bochum/

Oder ihr benachrichtigt sofort die Person in eurer Stadt oder Nähe. https://dgti.org/peerberatung-fuer-trans-und-inter/

#transfeindlichkeit #dgti #wahlen #BTW25

11.24 Uhr

Macht euch auf jeden Fall Notizen. Auch, wenn ihr denkt, ihr wollt nicht darüber reden. Vielleicht denkt ihr später doch anders darüber und ärgert euch, dass ihr es nicht mehr richtig wiedergeben könnt. Je mehr Details wir angeben können, umso besser.

11.27 Uhr

Ich habe soeben recherchiert und aufgeschrieben, in welchem Wahllokal ich war und welche Personen (Schriftführende und Wahlvorstand) mir besonderes und in welcher Form aufgefallen sind.

Das Erlebte:

Normalerweise wähle ich grundsätzlich per Brief. Leider hat es dieses Jahr nicht sollen sein. Somit musste ich zum ersten Mal, seit meiner Personenstandsänderung 2020, in ein Wahllokal gehen.

Die Augenschminke habe ich natürlich weggelassen und musste „nackt“ nach draußen.

Auf dem Weg zum Wahllokal habe ich mich schon ein wenig vor mir selbst geekelt. Ich war aufgeregt. Das ist mir zuviel des Guten. Ich bin nicht demokratiefeindlich aufgestellt, aber kritisch. Trotzdem bin ich dankbar dafür, (noch) in einer „Demokratie“ leben zu dürfen. Auch nutze ich meine demokratischen Möglichkeiten, wie ich kann. Aber allein aus der Wissenschaft wissen wir, dass wir vorsichtig sein sollten, wenn uns jemand etwas, als die einzige „Wahrheit“ verkaufen möchte. Ich verstehe Menschen nicht, die so demokratiehörig sind. Nachvollziehen kann ich es allerdings schon. Ich möchte kritischsolidarisch sein und bleiben.

Im Wahllokal habe ich meinen Ausweis und die Wahlbenachrichtigung bei einer der beiden Beisitzenden abgegeben und meinen Wahlzettel erhalten. R. brauchte ihren Ausweis nicht vorzeigen und hat ihn der Beisitzenden regelrecht aufzwingen müssen. Dies ist wohl ein Privileg, wenn dein gelesener Geschlechtsausdruck zum Vornamen passt.

Nach dem ankreuzen bin ich zur Schriftführenden gegangen. Nachfolgend mein Gedächtnisprotokoll.

Schriftführende zur Beisitzenden: „Hast du den Ausweis kontrolliert?“

Beisitzende: „Ja.“

Ich: „Der Vorname sagt nichts über das Geschlecht aus!“

Schriftführende: „Das ist Pflicht, dass wir die Ausweise kontrollieren….“

Ich: „Und ich muss darunter leiden?“ Schriftführende lacht und schaut genervt nach unten. Der Wahlvorstehende grinst und mindestens eine der Beisitzenden lacht laut.

Ich: „Das ist also lustig für Sie?“

Schriftführende: „Nein, aber es gibt nunmal Menschen, die für andere wählen…“

Ich unterbreche sie und werde lauter: „Aber sie hat’s doch schon am Anfang kontrolliert!“

Ich schau genervt und überfordert den Wahlvorstehenden an und gehe auf ihn zu: „Komm, mach fertig da!“. Er macht den Briefschlitz frei, ich werfe meinen Wahlzettel dort rein und stürme raus.

Mein Fazit:

Für viele ist meine Handlung in dieser Situation wahrscheinlich unverständlich und übertrieben. Aber ist sie das wirklich? Schauen wir mal genauer hin.

Für mich ist es ein großes Ding und dies seit Jahren. Seit 2020 bin ich vom Staat legitimiert (sic) als divers geführt und mein Vorname lautet Anny. Das sind fast 5 Jahre und ich würde es immer wieder tun. Trotzdem waren diese 5 Jahre auch eine ganz schöne Tortur.

Ich musste fast 3 Jahre mit meiner Krankenkasse darum kämpfen, angemessen angesprochen zu werden. Und dabei geht’s einzig und alleine um den Briefverkehr. Wenn ich dort anrufen oder sogar persönlich erscheinen muss, muss ich mich immer erklären.

Dies ist der Satz, den ich immer hören darf: „Das sind aber nicht Sie.“

Es wird also sofort davon ausgegangen und ausgesagt, dass ich nicht ich bin. Das bin ich mittlerweile gewöhnt. Trotzdem tut es immer wieder weh.

Und es nervt einfach. Und es ist diskriminierend. Und es ist nur ein Fall von vielen, die jeden Tag mehrmals passieren. Ich schreibe nicht „passieren können“. Es passiert mehrmals täglich. Aber gehen wir mal davon aus, dass es jeden zweiten Tag vorkommt, dass ich mich für mein Sein erklären muss.

Als Anfang nehmen wir den 21.10.2020 und als Enddatum den 31.12.2024. Dies sind genau 1532 Tage. Die Hälfte davon sind 766 Tage. In 4 Jahren musste ich mich nach dieser viel zu großzügigen Rechnung an 766 von 1532 Tagen mehrmals für mein Sein erklären. Das kostet Kraft, die ich oft gar nicht habe. Wir dürfen nicht vergessen, dass dies ist ein einziges runtergerechnetes Modell ist. Dazu habe ich noch andere Probleme und Herausforderungen zu überstehen.

Ich leide seit meiner Kindheit unter Depressionen und seit meiner Jugend unter so einigen Zwängen. Zudem begleitet mich auch noch eine Persönlichkeitsstörung und es fällt mir unglaublich schwer, unter (fremden) Menschen zu sein.

Alleine der gestrige Vorfall hat mich Stunden gekostet und das wird es auch noch weiterhin. Auf dem Nachhauseweg sind wir noch eine größere Runde durch den dortigen Wald gegangen. In dieser Zeit konnte ich mich kaum konzentrieren und musste immer wieder das zuvor Erlebte durchgehen und mein Handeln hinterfragen. Ich bin sämtliche Eventualitäten durchgegangen und musste ein Gefühlschaos nach dem anderen durchleben.

In den schlimmsten imaginären Fällen hätte ich entweder Stühle durch die Gegend geschmissen oder eine Sitzblockade vor der Eingangs-/ Ausgangstür veranstaltet. Und jedesmal ging’s von vorne los und ich musste immer wieder durch diese Situationen und Gefühle.

Zu Hause habe ich mich dann sofort an Mastodon gesetzt, um schonmal einen kleinen Schlußstrich ziehen zu und diese Situation ein klein wenig loslassen zu können. Der Tag war für mich also schon vor dem Wahlergebniss hinüber.

Und heute, einen Tag später, geht’s natürlich weiter. Ich muss jetzt eine Email aufsetzen und die Mailadressen des Wahlvorstands und der Stadt Bochum recherchieren. Zeit, die ich eigentlich anders verplant habe, was auch wieder meine Zwänge beeinflusst. Mein Tages-/Wochenplan wird daurch zerstört. Nicht verändert und auch nicht angepasst. Er ist einfach kaputt!

Diese „kleine“ Situation kostet mich mindestens 24 Stunden. Ganz abgesehen von den Zwangsgedanken, die mich Wochenlang verfolgen und immer mal wieder hervorkommen, wenn gerade keine Anderen stärker sind.

Darauf kann Mensch natürlich antworten: „Das können die Diskriminierenden ja nicht wissen, dass du auch noch andere Probleme hast.“ Das stimmt. Das sind meine persönlichen, ganz individuellen Probleme. Nichts destotrotz nehme ich das nicht mehr an und gebe alles weiter, was ich weitergeben kann. wenn ich die Kraft dafür habe.

Und auch, wenn es nichts persönliches war und die Leute einfach überfordert waren, war und ist es für mich etwas persönliches und hat für mich weitreichende Folgen. Dies hätte verhindert werden können, wenn alle einfach nur ihren Job gemacht und etwas Empathie besessen hätten.

Allerdings glaube ich auch mittlerweile leider, dass die Schriftführende mich absichtlich diskriminiert hat. Und leider gehe ich davon aus, dass meine Beschwerde nicht bis zu ihr durchdringt und ihr Handeln somit auch noch bestätigt wird.

Aber ich habe alles demokratische getan, was ich tun konnte und bin stolz auf mich, dass ich diese Kräfte gerade mobilisieren kann. Mein Wunsch verlangt eigentlich nicht viel und tut niemand anderes weh.

Ich möchte einfach nur eines: Ich möchte in der Masse untergehen und einfach so sein können, wie ich bin.

Zum Schluß darf auf meinem Blog natürlich keine „Musik des Tages“ fehlen. Zuerst einmal Creep von Radiohead, um mich runterzuholen und danach Converge mit Phoenix in Flames, um so richtig auszurasten, den Dreck abzuschütteln und weiterzumachen!

(Mir ist bewusst, dass die beiden Bands eine reine Typensuppe sind. Normalerweise achte ich auch immer darauf, auch andere Musikmachenden zu empfehlen, aber diese beiden Lieder haben mir gestern am meisten Kraft gegeben.

Tag 16

Mittwoch, 26.04.2023 – schlechte Laune, bester Tag

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Schlaganfall, Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, Sodbrennen, Schlafprobleme, Anspannung

Erste Nacht mit neuem Menschen. War für uns beide unruhig. Da ich vorm Schlafen noch ein Stück Kuchen gefuttert habe, das mir S. gestern mitgebracht hat, habe ich natürlich auch ordentlich Sodbrennen gehabt. Konnte ich ja nicht wissen, dass ich das auch davon bekommen kann.

Aber, vielleicht kam das gar nicht vom Kuchen, sondern von der Schoki? Oder von den anderen Süssigkeiten? Vielleicht auch eine Kombination von Schoki und Süssigkeiten. Vielleicht aber auch vom gestrigen Stress. Es gibt so viele Ausreden, äääh Möglichkeiten.

6.00 Uhr Der Wecker klingelt und mir wird schon schlecht, wenn ich an die Tagestermine denke. Also in allererster Linie den Plan. Wenn der wieder so spät ausliegt, dann… nichts. Was soll denn machen. Können die ja auch nichts für. Haben genug an der Backe. Ändert aber für mich auch nichts. Was noch hinzu kommt? Mein Bettnachbar ist Langschläfer und ich gehe zum Zähneputzen aufs Klo. Das müssen wir erst einmal absprechen, wie wir damit umgehen und, ob ihn das stört, wenn ich das Licht in der Waschbeckenabteilung anmache, während er noch schlummert. Besser kann der Tag doch gar nicht anfangen. Dann jetzt erst einmal ’nen Kaffee holen und langsam starten. Kein Kaffee da. Die Person, die dafür zuständig ist, hat wohl verschlafen. Normalerweise ist der Kaffee schon fertig. Ich kann mich jetzt nicht darum kümmern und dafür verantwortlich sein, dass da etwas schiefgeht oder nicht schmeckt oder sonst etwas. Das ist mir schon zu viel. Ich will wieder ins Bett. Gut, dann drehe ich mir halt eine. Eigentlich habe ich mir angewöhnt, die Erste zu quartzen, wenn wir zum Werken gehen, aber das ist halt eine Notsituation. Boah! Wenn ich das so aufschreibe, merke ich selbst, wie komisch sich das für Aussenstehende zu lesen sein muss. Ich mache da keinen Spass! Ich bin sofort bei 70%! Das ist schon der rote Bereich, bevor ich überhaupt richtig wach bin.

9.40 Uhr Werken war wid immer geil. Ich bearbeite gerade die Beine und rauche mir nach der Stunde schon die dritte Kippe. Bei jeder einzelnen Kippe mache ich mir Sorgen vor Schlaganfall Nr.4, aber, wenn ich Beruhigungsmittel einnehme, ist der Tag für mich gelaufen. Ich möchte etwas vom Tag mitbekommen. Ich hoffe sehr, dass ich hier gute Skills mitbekomme, um meine Scheisse anderweitig kompensieren kann. Ich glaube, ich bin hier auf einem guten Weg. Queer Edge¹, ich komme bald wieder zu dir, mein Schatz! :-*

11.00 Uhr Gesprächsgruppe und habe richtig miese Laune. Der Tag hat so beschissen begonnen und ich komme einfach nicht ausse Pötte. Eigentlich wollte ich um 10.00 Uhr duschen und danach kurz zu den Hühnern. Ich bin froh, dass ich es wenigstens geschafft habe zu duschen. Ich kann die Pfoten einfach nicht von meinem Tagesplan lassen. Andauernd muss ich nachgucken, ob ich auch nichts verpasse und mit der Uhr kontrollieren, ob ich noch in der Zeit bin. Das alleine ist heute schon sehr ermüdent. So läuft’s seitdem ich den Tagesplan erstelle, aber so anstrengend, wie heute, war’s noch nie. Ist halt nicht mein Tag. Ich habe gerade mal wieder das Gefühl, dass ich nichts mit dieser scheiss Gesellschaft zu tun haben möchte. Wir Menschen können so unglaubliches schaffen, machen aber lieber alles kaputt. Die Gesprächsgruppe war auch sehr anstrengend, aber ich durfte dort einfach körperlich anwesend sein. Ich hab einfach nicht die Nerven, mich heute in diese Gruppe zu integrieren. Keine Chance. Meine Aussagen wären wohl eher in Grundsatzdisskusionen bzgl. Privilegien ausgeartet. Das wäre kontraproduktiv. Dann lieber die Schnauze halten und aus dem Fenster gucken. Danach bin ich auch schon bei 90% gelandet. Ich will irgendwas kaputt machen. Wo sind die Hochsitze, wenn sie gebraucht werden? Ker!

13.00 Uhr Das Mittagessen hat mich wieder ein wenig runter geholt. Jetzt ist wieder diese Satbübung dran. Ich bin nervös, möchte aber weiterhin offen bleiben und auch körperlich an mir arbeiten.

13.15 Uhr Voll verkackt. Die Pflegerin hat mich an die Wand gedrückt. Ich war nicht in der Lage dagegen zu drücken. Was für ein Kack, ey! Ichvweiss nicht, was da gerade passiert ist. Klar, andere Person, andere Stabführung. Aber das? Was war das? Und schon bin ich wieder bei 80% angekommen. Was für eine Fahrstuhlfahrt heute. Nachdem ich mir den Kopf zerbrochen habe, als ich wieder langsam denken konnte, kam mir die Musiktherapie in den Sinn. Ich kann nichts ohne Anleitung! Ich brauche ein Rezept. Etwas einfach machen? Keine Chance.

14.00 Uhr Kaum Verschnaufpausen. Jetzt geht’s ins Einzelgespräch mit dem sympathischen Herr S.. Was für ein intensives Gespräch. Ich habe schon sehr lange nicht mehr bei einer Therapie-Sitzung so geheult. Herr S. ist echt gut. Aber er ist auch sehr empathisch. Wow, cooler Typ! Wir kommen der Sache schon näher. Und das, in der zweiten Sitzung. Ich bin völlig leer. 10 Prozent. Das gab’s schon sehr lange nicht mehr. Heute ist ein sehr guter Tag! Vielen Dank, Herr S.! Jetzt erst einmal die vorherigen zwei Tage nachholen und online packen.

19.00 Uhr Spannungskurve mit der Pflege durchgehen. Ich sollte mich intensiver mit der Skills-Liste befassen und gucken, was mir in welcher Situation hilft.

20.00 Uhr Ich war gerade zusammen mit 3 anderen eine kleine Runde im Wald. Das war super. Und jetzt ab ins Bett.

Gute Nacht

¹Wikipedia: Straight Edge und Queercore

Tag 15

Dienstag, 25.04.2023 – schachten im Bett

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen,, Sodbrennen, Schlafprobleme, Anspannung, innerer Druck

Erste Nacht allein im Enby-Zimmer. Das war super. Hoffentlich bekomme ich noch ein paar Tage…

oder Wochen. 🙂

7.20 Uhr Der Plan mit den Tagesterminen liegt noch nicht aus. Das macht mich fertig. Eigentlich gehe ich um kurz nach 7 dort ran und schreibe meinen Tagesplan fertig. Soll ich das in meine Spannungskurve schreiben, dass die Anspannung bei 90% liegt und die Pflegerin dadurch anprangern¹? Uncool! Mache ich trotzdem, aber das fühlt sich nicht richtig an. Übertreibe ich damit? Vermutlich! Aber so sieht’s in meiner Birne aus. Herzlich willkommen. Nimm dir ’n Stuhl und geniesse diese Achterbahnfahrt. Kotzen ist inklusive. Tüten kotz… äh kosten extra, sind aber Fairtrade und Bio. Vegan sindse nicht, wir wollen’s ja nicht übertreiben!

7.33 Uhr ich habe den Plan hingerotzt und komme trotzdem zu spät zum morgentlichen Stretchen auf’m Flur. So kann die Anspannung nicht runtergehen. Die Anschliessende Morgenrunde ist ein wenig lustig. Alle haben schlecht geschlafen, ausser ich. Ich glaube zumindest, dass meine Nacht ganz okay war. Wenn ich mir die Anderen so anhöre, fange ich aber an zu zweifeln…

7.45 Uhr Jetzt sollte ich eigentlichmit der Pflege meinen Tagesplan durchgehen, aber es sind noch 2 Leute mit Tagesplan vor mir. Die Pflegerin kommt mit der ersten Person raus, guckt uns an und sagt genervt:“ Wir haben 4 Leute mit Vorblick (so heisst der Durchgang mit der Tagesplanung). Sie könnten ja auch vor der Morgenrunde kommen.“ „Alter*! Was los mit dir?“, denke ich mir so und sage stattdessen:“ Wenn der Tagesterminplan vorher ausliegt, kann ich das gerne machen.“ Da geht sie gar nicht drauf ein. „Wer von Ihnen kommt um 7.15 Uhr?“ Ich: „Kann ich machen.“ Scheiss drauf. Wenn der Tagesterminplan dann noch nicht fertig ist, ziehe ich’s trotzdem so durch. Ich wünschte, ich wäre „Draussen“ und würde mich darüber aufregen, dass die Margarine schon wieder 5 Cent teurer geworden ist, stattdessen sowas…

8.10 Uhr Schnell das Frühstück reinpfeifen, damit ich nicht zu spät zu Musik komme. Ich freue mich auf Musik und habe gleichzeitig Angst davor, ohne Plan oder Vorgaben ein oder mehrere Musikinstrumente zu bespielen. Cool. Ich darf mir aussuchen, was ich zuerst benutzen will. Xylophon! Damit hört es sich immer gut an. Geiles Instrument! Nach 30 Minuten musizieren mit Xylophon und Hang Drum, darf ich mich, wie versprochen, 20 Minuten alleine mit der Handpan anfreunden. Komisches Gefühl. Ohne Anleitung kann ich einfach nichts. Ich brauche einen Grund und einen Plan, um mich „frei“ zu fühlen. Hat trotzdem Spass gemacht und ich werde es weiter versuchen, wirklich frei agieren zu können.

10.00 Uhr So! Jetzt endlich 2 Stunden nichts. Duschen und die Hühner besuchen ist angedacht. Aber keine Ahnung, warum meine Anspannung wieder auf die 90 zugeht. Da ist doch gerade nichts. Oder ist es genau das? So wird’s auf jeden Fall nie langweilig.

Und einen neuen Bettnachbar habe ich auch schon. Er scheint aber wenigstens nett zu sein. Mal schauen, ob und wann ich es schaffe, mich bei ihm zu outen. M. wird allerdings niemand ersetzen können.

14.00 Uhr Nach dem Mittagessen habe ich erst einmal im St. Pauli-Buch weitergelesen. S. kommt mich heute mit Kind und Hunde besuchen. Darauf freue ich mich schon sehr. Wir kennen uns schon seit über 10 Jahren und waren zusammen sehr viel tierrechtlerisch unterwegs. Das schweisst zusammen, wenn du zusammen auf Demos gehst, Infostandarbeit machst versuchst Nazidemos zu blockieren. Womit ich nicht gerechnet habe, ist, dass wir eine grosse Runde im Wald spazieren gehen und ich fast zu spät zu meinem Pflegegespräch komme. Punkt 16.00 Uhr komme ich abgehetzt zum Pflegeraum und muss dann 10 Minuten auf meine Bezugspflege warten. Toll. Da hätte ich mich auch noch vernünftig von den beiden verabschieden können…

16.40 Uhr Wir haben zum ersten Mal „Stabübungen“ gemacht. Dabei balancieren wir gegenüber gestellt die Enden der Stäbe zwischen unseren Handflächen, schliessen die Augen und gleiten zusammen durch den Raum. Und das ohne Anleitung. Einfach fliessen lassen. Wat!?! Ich bin total überfordert und frage mich die Ganze Zeit, ob das einen anthroposophischen Hintergrund hat. Eigentlich egal. Körperarbeit ist für mich genauso wichtig, wie mentale Arbeit. Ich möchte mehr Kontakt zu meinem Körper bekommen, aber ohne Anleitung? Und dann evtl. noch anthro-Style-mässig? Puh. Ich bleibe (noch) offen und will ja auch. Mal schauen, wie’s die nächsten Tage weitergeht. Erst einmal Globulis rauchen gehen…

Als ich draussen ankomme, stehen R. und meine Mom schon unten. Die Nachricht, dass sie da sind, wurde verschickt, als ich schon auf dem Weg war. Trotzdem erstmal quartzen. Soviel Zeit muss sein. Nach einem kleineren Spaziergang, wollen wir noch ins Cafè und kommen mal wieder ausserhalb der Geschäftszeiten an. Hinsetzen kann Mensch sich dort trotzdem.

19.00 Uhr Den abendlichen Spaziergang schenke ich mir heute. Lieber noch ein wenig im Bett schachten. Also Schach auf dem Handy zocken. Im Bett. Liegend!

Was für ein Tag, ey… Guts Nächtle!

¹Alleine aus antirassistischer Perspektive benutze ich das Wort „anschwärzen“ absichtlich nicht. Genauso, wie ich andere Worte nicht benutze, die „schwarz“ negativ darstellen.

Das ist übertrieben? Ist auch echt zuviel verlangt, eine schon vorhandene Alternative zu benutzen, du privilegiertes Arschloch!

Tag 14

Montag, 24.04.2023 – Spannungskurven und Spaziergänge

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, Sodbrennen, Schlafprobleme, Anspannung / innerer Druck

Meine Nacht war wie immer unruhig, aber ich hatte kein Sodbrennen. Die Musik auf den Ohren hilft aber. Gerade ist alles wieder sehr schwierig. Heute geht mein Bettnachbar und ich weiss nicht, wer ihn ersetzt. Wäre ja cool, wenn wir hier jetzt ein Enby¹-Zimmer hier hätten oder ich zumindest ein paar Tage für mich alleine hier habe.

7.30 Uhr In der Morgenrunde werden wieder Dehnübungen auf dem Gang gemacht. Das tut mir so gut. Warum bekomme ich das alleine nicht hin? Das ist so einfach und macht wach. Zeit dafür wäre auch im „normalem“ Alltag genug vorhanden. So einfach ist’s dann wohl doch nicht.

8.00 Uhr Die meisten meiner Mitpatient*innen beschweren sich über das Essen. Überwiegend ist das Mittagessen gemeint. Ich kann’s nicht nachvollziehen. Liegt das daran, dass die zu verwöhnt sind oder ich zu anspruchslos? Oder sind die veganen Varianten einfach besser? Egal. Mir schmeckt’s und ich bin froh, dass ich nicht „nur“ trockene Nudeln oder Kartoffeln bekomme.

8.30 Uhr Werken. Gerade der von Morgens bis Mittags ist mein Terminkalender voll und es gibt wenig Verschnaufpausen. Das erhöht den Druck sofort auf mindestens 40%. Da braucht nicht viel hinzuzu kommen, damit meine Spannungskurve im roten Bereich landet. Lasse ich mich mal überraschen, wohin die Kurve gejagt wird. Ich bin auf Fall froh, dass sich das jetzt mal genauer angeschaut wird. Innerer Druck ist schon sehr lange ein zentrales Thema bei mir. Aber gut, ich habe halt einige Baustellen und es muss erst einmal ausgesiebt werden.

11.00 Uhr Frisch geht’s ins Gruppengespräch. Nach dem Werken erst einmal die freie Zeit nutzen, mich rasieren und duschen. Das habe ich im Tagesplan gestern gar nicht beachtet, dass ich das ja auch gerne mal mache. In der heutigen Gruppe gibt’s kein akutes Thema, zumindest meldet sich niemand dafür. Jetzt dürfen alle mal etwas beschreiben, was sie gerade beschäftigt. Ich habe dann mal mein momentanes Fugenproblem erläutert. Jetzt ist der Knoten geplatzt! Nicht nur, dass ich meine Kontrolle eh schon schleifen lasse und doch ein paar Fugen „perfekt“ mitnehme, jetzt weiss es auch die Gruppe. Das macht mir enorme Angst. Was ist, wenn jetzt alle Masken fallen und es mir auch äusserlich ansehbar ist, dass ich nicht auf Fugen treten kann? Der Kontrollzwang hält die anderen Zwänge in Schach. Kacke!

13.00 Uhr Das Mittagessen war wieder gut. Jetzt erst einmal eine Runde spazieren gehen. Ab heute mache ich keinen Mittagsschlaf. Wow! Was für eine Quälerei. Egal. Ich versuch’s einfach. Einen Schritt vor, keinen zurück. Im Wald nebenan 10 Minuten in die eine Richtung und dann wieder zurück. Zum ersten Mal und dann schon 20 Minuten unterwegs gewesen. Und nicht gepennt! Und das ganz ohne Ziel. Ich bin sehr stolz auf mich. Ohne Grund und/oder Anleitung kann ich nichts. Ich möchte frei sein und dann bekomme ich noch nicht einmal das hin…

17.00 Uhr Nachdem ich spazieren war, war ich so mutig und habe mich aufs Bett gesetzt oder eher halb hingelegt und habe ein paar Seiten im 100 Jahre FC St. Pauli gelesen. Sehr interessant. Jetzt wird aber die Spannungskurve angeschaut. „Ihre Anspannung ist sofort so weit oben!?!“ „Japp!“ „Okay. Das behalten wir mal im Auge.“ In den ersten zwei Wochen war sie grundsätzlich noch Höher. Ich habe mich aber mittlerweile ein wenig eingewöhnt. Jetzt erst einmal wat ins Gesicht stecken. Und zwar etwas essbares.

18.30 Uhr Stationsversammlung und hey, ich brauche mich in nächster Zeit nicht fürs Kochen melden. Sehr gut! Dafür bin ich am Freitag im Spültrupp. Das ist aber okay für mich. Und das ich mithelfe, den Mittagstisch zu decken ist auch okay. Das wird eine gute Woche.

19.30 Uhr Ich gehe noch einmel eine kleine Runde in den Wald. Frische Luft schnappen und danach kann ich dann ruhigen Gewissens pennen. Wurde auch Zeit, ey!

¹“Enby“ ist eine Abkürzung für nichtbinär und wird so geschrieben, weil es sich so anhört, als sage Mensch die englischen buchstaben N und B. „nb“ als abkürzung kommt aus der black community und bedeutet „nonblack“.

Tag 10

Donnerstag, 20.04.2023 – Fugendruck und Fankultur

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, Sodbrennen, Schlafprobleme, Angespanntheit

In der Nacht hatte ich mal wieder Sodbrennen, weil ich Abends die Pfoten einfach nicht von den Süssigkeiten lassen kann. Aber ich bereue nichts! Also das Sodbrennen schon, aber nicht die Süssigkeiten. „Merkste selber, ne?“ Ja, ist schon gut…

7.30 Uhr Heute hab ich’s mir verkniffen, vorher rauchen zu gehen. Allein mein Magen freut sich darüber. Dafür gab’s zwei Tassen Kaffee auf nüchternen Ma… lassen wir das! In der Morgenrunde bin ich wieder total verballert und muss stark überlegen, was gestern so war. Das ist gerade sehr erschreckend, wie schnell ich gerade Erlebtes vergesse. Ist ja aber auch viel und noch relativ neu.

8.30 Uhr Heute ist nicht mein Tag. Ich habe noch nicht einmal Lust aufs Werken. Das ist halt manchmal so. Als ich erst einmal an meinem Hocker weiterarbeite, kommt der Spass schon kurz vorbei gehuscht und die Stunde ist dann auch schon wieder vorbei. Morgen kann ich die Hockerbeine anfangen und es gibt wohl das erste Mal auch Muskelkater dazu.

9.00 Uhr Ab zu den Hühnern, Achtsamkeit üben. Jetzt habe ich ein wenig Zeit, kann auf dem Weg R. anrufen und wir können ein wenig quatschen. Die Bank, auf der ich immer sitze ist nass. Das bemerke ich natürlich erst, als ich darauf sitze. Und direkt gegenüber ist ein kleiner Vorbau unter dem trockene Stühle stehen. Erst einmal zuende telefonieren und danach die Hühner mit Gras füttern. Die alten Geier!

Unter dem Vorbau ist’s nicht das Gleiche. Ich kamaber auch nicht auf die Idee, den Stuhl neben die Bank zu stellen. Naturbetrachtung war heute nichts, aber ich hab’s ein wenig versucht und habe die Hühner beobachtet.

Auf dem Rückweg merke ich, dass es mir ganz gut tut, wenn ich die Fugensache ein wenig auslebe und doch ein wenig mehr darauf achte, die Fugen in meinem System, also entweder gar nicht oder die Fugen mit der Fussmitte zu treffen. Das nimmt ein wenig Druck raus, macht mir aber Angst, dass das Ganze dann total aus dem Ruder läuft. Auf jeden Fall werde ich das morgen in der Visite ansprechen.

10.45 Uhr Das erste Mal „Vorblick“. Verstehe nur nicht, warum das erst so spät ist. Das kann ja dann eigentlich nur für den kommenden Tag sein?

Ups! Falsch verstanden. Ich soll noch vor dem Frühstück zum Vorblick kommen und dann auch schon meine Liste fertig haben. Das ärgert mich sehr, dass ich da nicht alleine drauf gekommen bin. Irgendwas ist halt immer…

Für Freitag sieht’s so bei mir aus

  • 06.00 – Wecker
  • 07.00 – Medikamente + Tagestermine
  • 07.30 – Morgenrunde
  • 07.45 – Vorblick
  • 08.00 – Frühstück
  • 08.15 – Werken (bis 9.30 Uhr)
  • 10.00 – Musik
  • 11.00 – Visite
  • 12.00 – Mittag
  • 12.45 – Einkaufen
  • 16.00 – Kochen
  • 18.00 – Abendessen
  • 19.00 – Naturbeobachtung

Auf dem ersten Blick erschlägt mich das ganze Gebilde, aber der Plan tut mir unglaublich gut.

12.00 Uhr Mittagessen Ich kann mich kein bisschen übers Essen beschweren. Alles super und auch lecker. Klar, in den ersten Tagen ging häufiger etwas schief, aber das kenne ich nicht anders. Ich habe ja auch Sonderwünsche. Keine Ahnung, wie viele Menschen in dieser Klinik vegan leben. Auf meiner Station bin ich die einzige veganlebende Person und wir sind momentan 13 Leute. Uh, geile Zahl. Block 13 auf der Südtribüne. Und ich habe meine Dauerkarte einem Arschloch gegeben…

Jetzt erst einmal ein Stündchen (Haha!) schlafen.

15.15 Uhr Pflegegespräch – Zuerst quatschen wir darüber, wie meine Achtsamkeitsübung Namens Naturbeobachtung verlief und haben das einfach mal so stehen lassen. Heute ist einfach nicht mein Tag und ich habe das Beste daraus gemacht. Dann wird mir vorgeschlagen, dass ich mit der Naturbeobachtung aufhöre, da meine Bezugspflegerin und mein Therapeut glauben, dass es für mich gerade wichtiger ist, dass ich einmal Atem- und einmal Körperübungen mache, damit es mir einfacher fällt, unter Menschen zu gehen. In den letzten Wochen hatte ich beim Einkaufen schon ein grundsätzlich hohes Anspannungslevel, bevor ich aus der Wohnungstür bin. Dass ich auf offener Strasse als „Scheiss Schwuchtel“ beschimpft wurde, ist noch gar nicht so lange her und sitzt tief. Ich will so rumlaufen, wie ich mich wohl fühle und in der Masse verschwinden. Das geht aber nicht. Ich bin halt ein bunter Vogel ganz in schwarz gekleidet. Ich will beim Einkaufen Abstand haben, besonders an der Kasse. Dies ist in dieser schnelllebigen Zeit nicht möglich. Alle hetzen von Termin zu Termin, sind im Kopf schon ganz woanders oder haben anderen Stress. Ich versuche das so anzunehmen, aber, wenn ich die Person hinter mir schon Huckepack nehmen kann und dann noch ein “ Können Sie bitte abstand halten?“ rausquetsche, diese dann aber pampig reagiert, platze ich. Und werde beleidigend. Ich möchte dieser Person weh tun. Sie verbal zerstören. Freiheit hört dort auf, wo sie andere einschränkt. Blablabla.

Und hinterher? Ärgere ich mich bis zum geht nicht mehr, dass ich mal wieder mein Maul nicht halten konnte. Jedesmal das Gleiche.

Aber es gibt für mich momentan nur zwei Wege:

  1. Entweder, ich sag nichts und ärgere mich über die andere Person und mich, weil ich nichts gesagt habe.
  2. Oder ich ärgere mich über die Person, weil sie kacke reagiert und über mich, weil ich ausfallend und laut geworden bin.

Bei 1. ist die Gefahr, dass sich der innere Druck immer weiter anstaut und die Explosion die Menschen trifft, die damit gar nichts zu tun haben. Vor allem R. ist davon betroffen. Bei 2. ist der Druck wieder etwas runter, aber immernoch höher, als vor der auslösenden Situation. Eine weitere Situation kann dann schon ausreichen. Was soll ich schreiben? Es ist sehr anstrengend. Ich will Leichtigkeit. Ich will über diese Dinge oder Situationen stehen und auf Augenhöhe mit meinem Gegenüber agieren. Wir versuchen hier alle „nur“ zu (über)leben.

15.39 Uhr C. von der KoFaS, ‚Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit’, und ich haben seit Montag versucht, bzgl. einer Anfrage für eine Zusammenarbeit miteinander zu telefonieren, aber es hat nicht sollen sein. Also hat mir C. jetzt eine fast vierminütige Sprachnachricht mit einer kleinen Beschreibung geschickt. Es geht um trans*-Fussballfans. Yeahi. Ich bin dabei! Läuft bei mir!

15.45 Uhr Ein Zettel für mich klebt an der Tür. Die morgige Musiktherapie muss verschoben werden. Entweder auf 11.00 Uhr oder auf Montag. AAAAH! Ich habe doch gerade erst alles geplant. Und die Zeit für die Visite ist eh schon wenig planbar, da nunmal viele Menschen nacheinander abgearbeitet werden. Ausserdem müssen wir uns ab Snfang der Woche in den Zeitplan der Visite eintragen und somit gibt es heute noch kaum freie Stellen. Ich habe mich extra für 11.00 Uhr eingetragen, damit das alles passt. Es könnte natürlich auch ein therapeutischer Test sein, aber wahrscheinlich ist der Therapeutin einfach etwas dazwischen gekommen. Ich habe dafür aber keine Energie. Dann muss Musik halt auf Montag „verschoben“ werden, bzw. morgen ausfallen. Hab mich so sehr darauf gefreut!

16.10 Uhr Nicht nur meine Eltern und mein Opa kommen zu besuch, sondern auch R. kommt kurz rum. Sie hat Unterlagen für die Kaution der neuen Wohnung, die ich unterschreiben muss. Was für ein Stress. Danke, dass du das alles managed. :-*

Ein wenig im Krankenhaus-Cafè zusammensitzen, Kaffee trinken und quatschen. Das ist schön.

20.47 Uhr Ich liege im Bett und schreibe diese Zeilen. Gute Nacht.

Tag 6

Sonntag, 16.04.2023 – 2,3

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Schlaganfall, Behinderung, trans* Feindlichkeit, Tabakkonsum

Letzte Nacht konnte ich ganz schwer einschlafen. Das lag nicht nur am Umstand, dass ich mich verspätet habe. Jemand hat wieder geweint und zusätzlich hat mich der Tag total aufgewühlt. Es war so schön, gleichzeitig ist so viel los. Bevorstehender Umzug ab nächsten Monat und das Gefühl, dass ich R. alleine in diesem Chaos lasse. Ich werde 6 Wochen vom aktuellen Semester verlieren. Meine Rente läuft Oktober diesen Jahres ab und ich weiss nicht, ob ich wieder zum Amtsarzt muss.

Das war die Hölle für mich. Als ich 2018 die Rente beantragt habe, wurde diese abgelehnt, woraufhin ich Einspruch erhoben habe. Deswegen musste ich zum Amtsarzt. Dieser hat mich auseinander genommen, mich klein gemacht und ich habe mich auch noch total unterworfen. Danach war ich erst einmal nicht mehr zu gebrauchen. Deswegen habe ich einen Betreuer vom betreuten Wohnen beantragt. Ich gehe dort nie wieder alleine hin. Nie! Und was ist generell, wenn ich jetzt auf einmal keine Rente mehr bekomme? Das wäre echt uncool. Ich kann noch nicht wieder arbeiten gehen. Ich kann ja kaum einkaufen gehen, ohne , dass ich rumschreie oder beleidigend werde, bzw. jederzeit kurz vorm Explodieren bin. Ich hab Angst, das macht mich fertig. Kippchen? Jau! Und danach Mucke. Und rasieren. Und frühstücken. 2,3 Yeahi!

8.40 Uhr Musik beruhigt ungemein! R. schreibt mich gerade an, als ich fertig bin mit dem Frühstück. Dann mal eben abmelden… Im Fenster des Pflegepersonalraumes hängt wieder der Zettel „Bin gleich wieder da!“. Im Nebenraum wird umgeräumt, also ab zur Tür nebenan. An der hängt der Zettel „Bitte nicht stören, Gespräch (oder Therapie oder so ähnlich)“. Es hört sich nicht nach einer Unterredung an und wenn dies tatsächlich eins ist, fliegen dort ordentlich die Fetzen. Was mache ich jetzt? Ich kann da nicht anklopfen und hoffe, dass die Person zwischendurch mal um die Ecke schaut. Nach ca. 10 Minuten warterei, in denen sich immer mehr Druck aufbaut, kommt die Pflegerin rum: Warum klopfen Sie den nicht?“ Weil ich das respektieren möchte und muss, dass Sie nicht gestört werden will. Es ist so angezeigt. Natürlich habe ich mich gefragt, ob das Schild an der Tür vom letzten Gespräch dort noch hängt, aber ich bin gestern schon negativ aufgefallen. Wenn ich da jetzt etwas falsch mache, baut sich da zu viel auf einmal auf und ich werde noch unsicherer. Dann warte ich lieber. Damit kann ich erst etwas kaputt machen, wenn R. schon auf mich wartet, aber solange ich die Zeit habe, investiere ich diese dann halt und überlege bei Bedarf neu. Das Ende vom Lied ist, dass ich abhauen darf. Natürlich habe ich mich nochmal für gestern entschuldigt. „Wenn Sie das jetzt nicht erwähnt hätten, wäre es gar nicht aufgefallen!“ Das ist nicht Sinn der Sache und ausserdem werde ich das auch in der ersten Therapiesitzung ansprechen, dass mich so etwas Tage verfolgt und ich die nächsten Beurlaubungen wahnsinnig unter Druck stehen werde. Ausserdem will ich das geklärt haben.

9.30 Uhr noch eine ins Gesicht stecken und auf R. warten. Dieses Mal bin ich vom Frühstück so satt, dass ich kein zweites Frühstück zelebriere, aber Kaffee trinke, während R. frühstückt.

12.00 Uhr Wir haben’s tatsächlich geschafft, ein wenig für den Umzug umzuräumen und Kisten zu packen. Mein Kleiderschrank ist jetzt schon leer, dafür habe ich ja jetzt einen in der Klinik.

13.30 Uhr Zusammen mit anderen Punks St. Pauli in einer Cafè-Bar in Dortmund gucken. Puh! Ich dachte echt, das Spiel wird besser als das gestrige vom BVB. Fussballtechnisch kein gutes Wochenende.

16.30 Uhr Schön noch ein wenig kuscheln, Nussecken und Kuchen futtern und dabei in das Spiel Bremen gegen Freiburg reinschauen. Vielen Dank für dieses schöne Wochenende, liebe R.! :-*

18.30 Uhr Wenn mein Bettnachbar mir nicht Bescheid gesagt hätte, hätte ich beinahe auch noch die Stationsversammlung verpasst. Die Therapeutin ist sauer, weil mindestens 3 Leute zu spät zurückkamen. Das gab vor versammelter Mannschaft nochmal ’ne Ermahnung für alle. Und wegen gestern wurde ich extra erwähnt und angesprochen. Vielen Dank. Das habe ich gebraucht. Als wenn ich mir so nicht schon genug Vorwürfe machen würde. Natürlich kann sie nicht wissen, wie’s in meiner Birne aussieht, aber das ist doch schon längst geklärt gewesen. Ich habe es doch schon angesprochen. Gut, ich hätte den Ernst der Lage genauer ansprechen sollen. Dies habe ich dann in der Runde gemacht, in der wir kurz unser Wochenende zusammenfassen sollten. Sie hat mir dann mehrmals gesagt, dass ich mir keinen Kopp machen soll, da das ja auch meine erste Woche ist. Das weiss ich auch. Habe ich ja selbst auch so gesagt.

19.30 Uhr Draussen machen zwei Menschen lärm. Sie schreien beide mit krächzenden Stimmen unverständliches Kauderwelsch und werden immer lauter, unverständlicher und aggressiver. Ich will doch einfach nur pennen… Gut, dass ich meine Kopfhörer eingepackt habe und jetzt auch zum schlafen Mucke hören kann.

Abhängen bei den Anthros

Seit dem 11.04.2023 bin ich in vollstationärer psychologischer Behandlung in der Klinik in Herdecke. Hier bin ich, weil diese Klinik für mich zuständig ist und ich leider nicht länger warten kann.

Um mit dieser Situation besser umgehen zu können, habe ich mich dafür entschieden, diesen Blog als Tagebuch zu erstellen und täglich meine Erlebnisse und Gedanken zu veröffentlichen.

Einerseits können mir nahestehende Personen so mehr über mich Erfahren, weil ich nie so viel erzählen würde. Andererseits hoffe ich so, nicht zu viel runterschlucken zu müssen und ein wenig Druck von mir nehmen zu können.

viel Spass beim lesen

Tag 1, 11.04.2023Erst einmal eine ins Gesicht stecken

Tag 2, 12.04.2023Migräne

Tag 3, 13.04.2023vermatscht

Tag 4, 14.04.2023MillernTon

Tag 5, 15.04.2023Studanny / Kommilitanny

Tag 6, 16.04.20232,3

Tag 7, 17.04.2023Danke Merkel

Tag 8, 18.04.2023I can’t get no Desinfection

Tag 9, 19.04.2023Kein Schlaf ist auch keine Lösung

Tag 10, 20.04.2023 – Fugendruck und Fankultur

Tag 11, 21.04.2023 – Stress und Maissuppe

Tage 12 + 13, 22. + 23.04.2023 – Wochenende, 3 Punkte, Aufstiegskandidat und Spitzenreiter

Tag 14, 24.04.2023 – Spannungskurven und Spaziergänge

Tag 15, 25.04.2023 – schachten im Bett

Tag 16, 26.04.2023 – schlechte Laune, bester Tag

über mich

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Schlaganfall, Behinderung, trans* Feindlichkeit

Ich heisse Anny, bin Anfang der 1980er geboren, trans/nichtbinär und benutze keine Pronomen. Im Ruhrpott bin ich zu Hause. 2020 habe ich eine Personenstandänderung vorgenommen, meinen Namen Anny angenommen und mich als „divers“ eintragen lassen.

Durch mehrere Schlaganfälle, chronische Depressionen, Zwänge und einer Persönlichkeitsstörung des Borderlinetypus bin ich seit 2018 berentet und habe einen Grad der Behinderung (GdB) von 50. Ausserdem habe ich mir die ICD10-Diagnose mit dem Schlüssel F64.0 – Transsexualismus erarbeitet. Laut dem aktuellen ICD10 ist trans * Identität immernoch eine psychische Erkrankung. Es gibt schon ein ICD11, der an die heutige Zeit angepasst ist. In einigen Ländern wird dieser schon angewendet, in Kaltland dauerts noch ein klein wenig.

Ich befasse mich seit Jahren mit Ableismus, Gewalt in der Sprache, Mikroaggressionen, Privilegien, (Self)Care, Verschwörungsdenken und anderem.

Seit dem Wintersemester 2022 studiere ich B.A. Politikwissenschaft, Verwaltungswissenschaft und Soziologie.

Ich war viele Jahre in der Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung aktiv und bin anarchistisch, aber nicht demokratiefeindlich eingestellt. Wer sich mit Politik auskennt, sollte heutzutage wissen, dass Anarchismus nicht gleich Chaos bedeutet.

Vereinsmitgliedschaften: Bund demokratischer Wissenschaftler*innen (BdWi), Bundesverband Trans* (BVT), Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Intergeschlechtlichkeit (dgti), Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS), FC St. Pauli, FC St. Pauli-Fanclub FC Rilrec Youth (FCSP FCRRY)

Bis Mai 2024 war ich auch Mitglied beim BVB und bei ballspiel.vereint!. Durch das Nmecha-Debakel und dadurch, dass ich mich vom Verein(-svorstand) verarscht und mich, als queere trans* Person nicht mehr willkommen gefühlt habe, habe ich meine Mitgliedschaften gekündigt und mein Engagement im und um den Verein eingestellt. Auf meine 2 offenen Briefe an den Vereinsvorstand habe ich bis heute (Stand Januar 2025) keine Antwort bekommen. Eine Entschuldigung hätte ich eh nicht geglaubt, aber ich habe noch nicht einmal eine Bestätigung des Erhalts meiner Briefe bekommen.

Vorträge/Workshops, die ich geleitet oder gegeben habe: Gender was? – tina* Identitäten am Arbeitsplatz“, „TINA* Feindlichkeit(en) und Mikroaggressionen“, „TIN-Feindlichkeit(en)“, „Privilegien“, „Total Liberation – Eine Einführung“, „Wie schreibe ich (politisch) Gefangenen“, „Kritik innerhalb der Tierbewegung“, „Straight Edge und Beziehungsanarchie“

Seit Mitte 2023 biete ich Peer-TINA*-Beratung im Namen der Deutschen Gesellschaft für Trans*- und Intergeschlechtlichkeit (dgti) an.
(TINA* steht dabei für trans*, inter, nicht- und abinär und der * für alle ähnlichen Geschlechter)

Seit Anfang 2024 habe ich mir meinen langjährigen Traum erfüllt und habe angefangen ein Online-Lexikon über Verschwörungsmythen zu erstellen. Gut Ding braucht…
https://verschwoerungsmythen-lexikon.net/

Zu meinen Aktivitäten innerhalb der Fanszene(n):
seit 2006 BVB-Fan, spätestens seit 2011 St. Pauli-Fan, 2008 – 2014 Dauerkarte Block 13, Südtribüne, ca 2008 – 2011 aktiv in der BVB Fan- und Förderabteilung, 2015 – 2017 kein Fussball, viel politisches Engagement, seit 2018 wieder aktiver Fussballfan

2021 Interview und zweitägige Arbeitsgruppe fürs Forschungsprojekt „Vielfalt im Stadion – Zugang, Schutz und Teilhabe“ der Kompetenzgruppe Fankulturen und Sportbezogene soziale Arbeit (KoFaS)
2022 Interview für das Fanprojekt Dortmund zum 25ten Jubiläum von „Kick Racism Out“
2022 bis 2024 aktiv bei ballspiel.vereint!
2022 Mitglied im Orgateam und zweimal am BVB-Aktionstag den Workshop „TIN-Feindlichkeit(en)“ geleitet/gegeben
ab 2023 Mitglied im Orgateam von Football 4 all Gender und Interview mit Debbie von Female St. Pauli Stories vom Millernton-Podcast
August 2023 Filmdreh „queere Fans im Stadion“ im Olympiastadion
seit Anfang 2024 Mitglied des St. Pauli Fanclubs FC Rilrec Youth (FCSP FCRRY)
März bis November 2024 Teilnahme an der Weiterbildung „Steilpass – Fußballjobs für alle
28.05.2024 Filmvorführung „queere Fans im Stadion“ und Live-Interview beim Diversity Day auf Sky.
29.07.2024 interner Workshop „Gender… was? – trans*-, inter*-, nichtbinäre und Agender Identitäten am Arbeitsplatz“ beim FC St. Pauli geleitet

Hier das Interview zum Jubiläum von „Kick Rasicm Out“:
https://youtu.be/8gWehwSq-LQ

Hier ist das Interview mit Debbie von Female St. Pauli Stories:
https://millernton.de/2023/09/05/female-st-pauli-stories-17-anny/

Und hier geht’s noch zum Film „queere Fans im Stadion“ von Vielfalt im Stadion, in dem ich mitgewirkt habe:
https://vielfaltimstadion.de/ueber-das-projekt/

Tag 4

Freitag, 14.04.2023 MillernTon

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Schlaganfall, Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, missgendern, trans* Feindlichkeit, Sodbrennen, Schlafprobleme, Angespanntheit

6.00 Uhr Sehr unruhige Nacht gehabt. Und Sodbrennen. Keine Ahnung, warum. Die Drittel Tüte Flips kann es ja nicht gewesen sein…

7.30 Uhr Wieder eine kurze Morgenrunde. „Mein gestriges Highlight war das Cappuccino-trinken mit R. und das ich meine Schlappen endlich habe. Meine Nacht war wie immer unruhig und anstrengend. Ich freue mich heute tatsächlich auf die Visite, weil dann ein paar Fragen beantwortet werden.“ Frage mich, warum es wichtig ist, dass wir den Sprecher*innen-Ball zuwerfen und nicht geben sollen. Ich hasse das!

8.00 Uhr wieder verspätetes Frühstück und ich steh sofort unter Druck, weil wir um 8.15 Uhr losgehen zum Werken. Mir ist bewusst, dass die Küche nicht nur uns beliefert, aber diese Situation macht mir den Tag nicht einfacher. Ausserdem ärgere ich mich immernoch sehr über meinen Tablett-Fopaux. Das wegbringen des Tabletts hat mir so schon genug Stress bereitet, aber jetzt ist es um einiges schlimmer.

10.00 Uhr Das Werken war wieder super. Der Betreuer ist auch voll Sympathisch. Ich habe mich zwischendurch auch schon gefragt, wie teuer wohl so ein gebrauchter Werktisch ist. Meine Mitpatientin hatte schonmal geschaut. Ab 79,-€. Hoa! Interessant!

10.15 Uhr Der Druck steigt erst jetzt, aber dafür ins Unermessliche. Scheiss wichtige Termine! Ganz vergessen was für einen Druck ich bei solchen Terminen immer verspüre. BAH!

12.00 Uhr Dass Mensch ein wenig warten muss, ist klar. So lange hat sich dass wohl auf dieser Station aber noch nie hingezogen. Ich war für 10.45 Uhr eingetragen. Wenigstens bin ich ab 10.30 Uhr zu den Wartenden gegangen und hatte ein paar gute Gespräche. Mit wem? Dem neuen Schlacker, der gestern angekommen ist. Langsam wird’s peinlich… Er hat sich erst gar nicht getraut, sich dahingehend zu outen, weil er schon öfters einen drauf bekommen hat. Weil er Fan eines bestimmten Vereins ist. Das ist Fussball! Typensuppe! Thesto! Riesige, enorme…

Auswärtsfahrten.Ich war von ca. 2009 bis 2012 aktiv in der Fanszene Dortmund. Dies war der Beginn, meiner politischen Karriere. Irgendwann habe ich mich gefragt, warum ich soviel Zeit und Geld in ein Unternehmen investiere, welches Millionen macht. 2012 kamen dann die zwei Schlaganfälle und ich habe mich langsam vom Fussball weg hin zum Tierrecht entwickelt. Das war eine sehr gute und auch wichtige Zeit. Ich trauere doch aber auch seit Jahren meiner Dauerkarte für Block 13 auf der Südtribüne nach. Vor allem, weil sie jetzt der damalige Mann meiner Cousine hat. Pfui! Egal. Diese Entwicklung war schon gut. Seit 2 Jahren bin ich jetzt wieder aktiv und das deutschlandweit. Vor allem für trans* Menschen in den Stadien, aber auch gegen jede Art der Diskriminierung in und um den BVB und deutschlandweit. Das macht Spass. Ist aber auch mit sehr vielen Privilegien und Kontakten verbunden. Fühlt sich manchmal schon komisch elitär an. Das ist wohl auch der Reiz daran.

17.00 Uhr AAAAH! Ich wollte nur eine Stunde pennen und daraus sind dann 3 geworden.

Oh, kacke! Ich habe Debbie vom MillernTon-Podcast bzw. „Female St. Pauli Stories“-Podcast fast vergessen. Schnell einen Lebenslauf zusammenpasten (wird ausgesprochen: zusammenpäisten) und ab dafür. Dieses Jahr sind schon einige Anfragen reingekommen. Auf das Interview mit Debbie zum Thema „trans* Fussballfans“ freue ich mich ganz besonders. Langsam fühle ich mich auch in der Fanszene von St. Pauli heimisch. schwarzgelbbraunweisse Liebe halt

18.00 Uhr Jetzt gibt’s das Freitagabend-Gemeinschaftsessen. Wenn Anfang der Woche die Wochenämter vergeben werden, gibt es zwei oder mehr Menschen (Uh, schon lange nicht mehr „Meermenschen“ von Moop Mama gehört), die für alle kochen. Heute gab’s Spaghetti Bolognese. Eine normale Pfanne mit gutem Fleisch und eine vegane. Boah, war das lecker.

19.00 Uhr Eine quartzen und wieder ein sehr gutes Gespräch mit dem Schalker (Ich werde langsam weich und benutze das böse Wort mit Sch) geführt. Da ich auf meiner Jacke einen „Stay queer, stay Rebel“-Aufnäher habe, hat er gefragt, ob ich den „nur“ aus solidarität habe oder ob da mehr dahintersteckt. (HAH! Welches Statement! Ich muss immernoch darüber lachen!) Nach meinem Outing hat er sich erst einmal nach meinen Pronomen erkundigt. Das war sehr schön. Vielleicht schaffe ich es heute noch, mich bei meinem Bettnachbarn zu outen. Ich weiss, er ist cool, aber irgendwie gibt es nie einen perfekten Zeitpunkt. Als wenn es diesen überhaupt geben kann…

20.25 Uhr Post feddich machen Schoki futtern und ne Runde Schach gegen den PC, also einer App und gegen den Computer. Auf dem Handy. Ihr wisst schon. Ich schreibe „Ihr“, weil mehr als zwei Leute behaupten, dass sie mein Zeugs lesen.

20.25 Uhr und 55 Sekunden Gute Nacht! Sodbrennen verpiss dich! Äh, komm gar nicht erst an!

Tag 3

Donnerstag, 13.04.2023 vermatscht

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Depressionen, Zwänge, Borderline), Schlaganfall, Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, missgendern, Migräne

6.30 Uhr Vermatscht aufstehen. War wohl nicht genügend Schlaf… Erst einmal eine drehen und an die frische Luft gehen. Kaffe ist auch gut. Heute Nachmittag bekomme ich Hafermilch von R. geliefert. Keine Ahnung, worüber ich mich mehr freue. Doch, hab ich. Oder? Mhmm…

7.30 Uhr Kurze Morgenrunde „Ich habe gar nicht gut geschlafen, weil ich ab Mittag Migräne und den halben Tag verpennt habe. Auf’s Frühstück freue ich mich.“

8.00 Uhr Zwei Brötchen, drei verschiedene Marmeladen und schon wieder Honig. Wenn die Person(en) mir das schon zum Frühstück geben, will ich gar nicht wissen, was alles so unveganes im Mittagessen steckt… Hah! „Welches Statement hinter meinem Aussehen steckt!“ Ich lach mich immer noch kaputt!

8.15 Uhr Erst einmal das Tablett beim wegstellen mit einem lauten klirren auf den Boden fallen lassen. Alles voller Scherben. Das ist wohl allen schonmal passiert. Das ist auch okay, aber nicht, dass es mir passiert. Das geht gar nicht. „EY ANNY! Merkste selber, ne?“

8.30 Uhr Endlich wieder Werken. Hab voll Bock auf den Hocker, den ich bastle. Ich war schon in einigen Kliniken und Handarbeit habe ich immer gehasst. Hier habe ich total Böcke drauf und habe jetzt Angst, mich wieder überanzustrengen (ist das ein Wort? Also, ein richtig echtes?). Ich will nicht wieder Migräne bekommen. Mann ey!

10.00 Uhr Total verschwitzt und zufrieden erst einmal rasieren und duschen. Für heute scheine ich nichts mehr zu haben. AUCH KEINE MIGRÄNE! Hörst du!?!

11.30 Uhr Und, mit wem verstehe ich mich hier am besten? Genau. Mit dem Schlackefan. Voll gut gerade über lesbische Ehen (sie), das gendern generell gequatscht und mich bei ihr geoutet. Einfach toll. Naja, ausser, dass sie Fan von so einem Verein ist, aber da kann ja niemand etwas für. Ausser Schlackefans, die machen das extra! Vor 10 Jahren hätte ich tatsächlich nicht mit ihr geredet, weil ich das ein ganz klein wenig zu ernst genommen habe mit der Feind*innenschaft. Boah, bin ich ein hochnäsiges Arschloch gewesen. Die gute, alte Zeit…

12.10 Uhr Zum Mittag gab es Nudeln Bolognese, Selerie-Krautsalat (nenne ich es einfach mal) und eine Pflaume. Kann mich nicht beschweren. Mist!

13.00 Uhr Eine geraucht und auf dem Rückweg habe ich mich in den Klinikladen getraut. Ich bekomme zwar nachher Schoki und Co., aber das wird bei mir nicht schlecht. 7 Euronen und ein paar Kaputte für eine Tafel Schoki, ein Päckchen Plätzchen und eine kleine Flasche Fritz-Kola (ist das Unternehmen oder sie Besitzer nicht negativ aufgefallen? Irgend etwas uncooles war doch da.)

13.05 Uhr Mhmmm Schoki und Kola! 🙂 Wenn es etwas gibt, was ich aus meinem Tagesklinik-Aufenthalt 2018 in Wuppertal gelernt habe, dann ist’s Genuss. Ausser bei Schoki. Die inhaliere ich. Ich nehme mir immer vor, auch Schoki zu geniessen, aber das merke ich erst nach der Tafel.

15.00 Uhr R. war da und hat mir meine Schlappen und Schluckerzeugs gebracht. Wir haben noch im Klinik-Cafè zwei Cappuccinos gesüppelt und draussen eine geraucht. Das war so schön! Beim Taschepacken vorm Klinikgang habe ich eine Badehose eingepackt, aber keine Flip Flops und Hausschuhe. Das war schon ein wenig eklig, Barfuss die paar Schritte zum Zimmer zu latschen und nervig andauernd mit den Strassenschuhen rumzulaufen, aber diese Zeiten sind jetzt vorbei.

17.00 Uhr Letztes WE habe ich mir über ebay das ST. Pauli-Jubiläumsbuch bestellt. Dieses habe ich schon länger im Auge, aber es war mir immer zu teuer. Also gebraucht zu teuer. Soweit ich kann, kaufe ich seit ca. 5 Jahren alles Second Hand, ausser Unterbuchsen und Socken. Keine Ahnung, warum ich dabei so spiessig bin. Jetzt erst einmal ein wenig lesen.

18.00 Uhr Ich versuche seit ungefähr zweieinhalb Stunden an Schmerztabletten zu kommen, aber das Pflegezimmer ist nicht besetzt. Langsam wird der Druck im Kopf stärker. Vielleicht sollte ich mich vor die Tür legen, damit ich die Person nicht mehr verpasse…

18.10 Uhr Abendbrot war gut. Ich habe jetzt Schoko-Creme.

18.45 Uhr Ich habe endlich eine Ibu bekommen und gleich sogar ein Gespräch mit meiner Bezugspflege. Ich glaube, ich bin ihr zuvor gekommen. Ich habe nämlich gefragt, wer meine BP ist und sie sagte dann „Ja, ich wollte eh noch auf sie zukommen. Wir können gleich das Erstgespräch halten.“. Jau du, machen wa.

20.15 Uhr War ein gutes Gespräch. Es ging darum, worauf wir hier den Fokus legen möchten. Ich habe mich für Antrieb, meine kurze Zündschnur und Achtsamkeit entschieden. Ist echt kacke, wenn Mensch so viele Baustellen hat.

22.00 Uhr Gute Nacht. Endlich wieder pennen…