Tag Archives: Depressionen

Tag 4

Freitag, 14.04.2023 MillernTon

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Schlaganfall, Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, missgendern, trans* Feindlichkeit, Sodbrennen, Schlafprobleme, Angespanntheit

6.00 Uhr Sehr unruhige Nacht gehabt. Und Sodbrennen. Keine Ahnung, warum. Die Drittel Tüte Flips kann es ja nicht gewesen sein…

7.30 Uhr Wieder eine kurze Morgenrunde. „Mein gestriges Highlight war das Cappuccino-trinken mit R. und das ich meine Schlappen endlich habe. Meine Nacht war wie immer unruhig und anstrengend. Ich freue mich heute tatsächlich auf die Visite, weil dann ein paar Fragen beantwortet werden.“ Frage mich, warum es wichtig ist, dass wir den Sprecher*innen-Ball zuwerfen und nicht geben sollen. Ich hasse das!

8.00 Uhr wieder verspätetes Frühstück und ich steh sofort unter Druck, weil wir um 8.15 Uhr losgehen zum Werken. Mir ist bewusst, dass die Küche nicht nur uns beliefert, aber diese Situation macht mir den Tag nicht einfacher. Ausserdem ärgere ich mich immernoch sehr über meinen Tablett-Fopaux. Das wegbringen des Tabletts hat mir so schon genug Stress bereitet, aber jetzt ist es um einiges schlimmer.

10.00 Uhr Das Werken war wieder super. Der Betreuer ist auch voll Sympathisch. Ich habe mich zwischendurch auch schon gefragt, wie teuer wohl so ein gebrauchter Werktisch ist. Meine Mitpatientin hatte schonmal geschaut. Ab 79,-€. Hoa! Interessant!

10.15 Uhr Der Druck steigt erst jetzt, aber dafür ins Unermessliche. Scheiss wichtige Termine! Ganz vergessen was für einen Druck ich bei solchen Terminen immer verspüre. BAH!

12.00 Uhr Dass Mensch ein wenig warten muss, ist klar. So lange hat sich dass wohl auf dieser Station aber noch nie hingezogen. Ich war für 10.45 Uhr eingetragen. Wenigstens bin ich ab 10.30 Uhr zu den Wartenden gegangen und hatte ein paar gute Gespräche. Mit wem? Dem neuen Schlacker, der gestern angekommen ist. Langsam wird’s peinlich… Er hat sich erst gar nicht getraut, sich dahingehend zu outen, weil er schon öfters einen drauf bekommen hat. Weil er Fan eines bestimmten Vereins ist. Das ist Fussball! Typensuppe! Thesto! Riesige, enorme…

Auswärtsfahrten.Ich war von ca. 2009 bis 2012 aktiv in der Fanszene Dortmund. Dies war der Beginn, meiner politischen Karriere. Irgendwann habe ich mich gefragt, warum ich soviel Zeit und Geld in ein Unternehmen investiere, welches Millionen macht. 2012 kamen dann die zwei Schlaganfälle und ich habe mich langsam vom Fussball weg hin zum Tierrecht entwickelt. Das war eine sehr gute und auch wichtige Zeit. Ich trauere doch aber auch seit Jahren meiner Dauerkarte für Block 13 auf der Südtribüne nach. Vor allem, weil sie jetzt der damalige Mann meiner Cousine hat. Pfui! Egal. Diese Entwicklung war schon gut. Seit 2 Jahren bin ich jetzt wieder aktiv und das deutschlandweit. Vor allem für trans* Menschen in den Stadien, aber auch gegen jede Art der Diskriminierung in und um den BVB und deutschlandweit. Das macht Spass. Ist aber auch mit sehr vielen Privilegien und Kontakten verbunden. Fühlt sich manchmal schon komisch elitär an. Das ist wohl auch der Reiz daran.

17.00 Uhr AAAAH! Ich wollte nur eine Stunde pennen und daraus sind dann 3 geworden.

Oh, kacke! Ich habe Debbie vom MillernTon-Podcast bzw. „Female St. Pauli Stories“-Podcast fast vergessen. Schnell einen Lebenslauf zusammenpasten (wird ausgesprochen: zusammenpäisten) und ab dafür. Dieses Jahr sind schon einige Anfragen reingekommen. Auf das Interview mit Debbie zum Thema „trans* Fussballfans“ freue ich mich ganz besonders. Langsam fühle ich mich auch in der Fanszene von St. Pauli heimisch. schwarzgelbbraunweisse Liebe halt

18.00 Uhr Jetzt gibt’s das Freitagabend-Gemeinschaftsessen. Wenn Anfang der Woche die Wochenämter vergeben werden, gibt es zwei oder mehr Menschen (Uh, schon lange nicht mehr „Meermenschen“ von Moop Mama gehört), die für alle kochen. Heute gab’s Spaghetti Bolognese. Eine normale Pfanne mit gutem Fleisch und eine vegane. Boah, war das lecker.

19.00 Uhr Eine quartzen und wieder ein sehr gutes Gespräch mit dem Schalker (Ich werde langsam weich und benutze das böse Wort mit Sch) geführt. Da ich auf meiner Jacke einen „Stay queer, stay Rebel“-Aufnäher habe, hat er gefragt, ob ich den „nur“ aus solidarität habe oder ob da mehr dahintersteckt. (HAH! Welches Statement! Ich muss immernoch darüber lachen!) Nach meinem Outing hat er sich erst einmal nach meinen Pronomen erkundigt. Das war sehr schön. Vielleicht schaffe ich es heute noch, mich bei meinem Bettnachbarn zu outen. Ich weiss, er ist cool, aber irgendwie gibt es nie einen perfekten Zeitpunkt. Als wenn es diesen überhaupt geben kann…

20.25 Uhr Post feddich machen Schoki futtern und ne Runde Schach gegen den PC, also einer App und gegen den Computer. Auf dem Handy. Ihr wisst schon. Ich schreibe „Ihr“, weil mehr als zwei Leute behaupten, dass sie mein Zeugs lesen.

20.25 Uhr und 55 Sekunden Gute Nacht! Sodbrennen verpiss dich! Äh, komm gar nicht erst an!

Tag 3

Donnerstag, 13.04.2023 vermatscht

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Depressionen, Zwänge, Borderline), Schlaganfall, Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, missgendern, Migräne

6.30 Uhr Vermatscht aufstehen. War wohl nicht genügend Schlaf… Erst einmal eine drehen und an die frische Luft gehen. Kaffe ist auch gut. Heute Nachmittag bekomme ich Hafermilch von R. geliefert. Keine Ahnung, worüber ich mich mehr freue. Doch, hab ich. Oder? Mhmm…

7.30 Uhr Kurze Morgenrunde „Ich habe gar nicht gut geschlafen, weil ich ab Mittag Migräne und den halben Tag verpennt habe. Auf’s Frühstück freue ich mich.“

8.00 Uhr Zwei Brötchen, drei verschiedene Marmeladen und schon wieder Honig. Wenn die Person(en) mir das schon zum Frühstück geben, will ich gar nicht wissen, was alles so unveganes im Mittagessen steckt… Hah! „Welches Statement hinter meinem Aussehen steckt!“ Ich lach mich immer noch kaputt!

8.15 Uhr Erst einmal das Tablett beim wegstellen mit einem lauten klirren auf den Boden fallen lassen. Alles voller Scherben. Das ist wohl allen schonmal passiert. Das ist auch okay, aber nicht, dass es mir passiert. Das geht gar nicht. „EY ANNY! Merkste selber, ne?“

8.30 Uhr Endlich wieder Werken. Hab voll Bock auf den Hocker, den ich bastle. Ich war schon in einigen Kliniken und Handarbeit habe ich immer gehasst. Hier habe ich total Böcke drauf und habe jetzt Angst, mich wieder überanzustrengen (ist das ein Wort? Also, ein richtig echtes?). Ich will nicht wieder Migräne bekommen. Mann ey!

10.00 Uhr Total verschwitzt und zufrieden erst einmal rasieren und duschen. Für heute scheine ich nichts mehr zu haben. AUCH KEINE MIGRÄNE! Hörst du!?!

11.30 Uhr Und, mit wem verstehe ich mich hier am besten? Genau. Mit dem Schlackefan. Voll gut gerade über lesbische Ehen (sie), das gendern generell gequatscht und mich bei ihr geoutet. Einfach toll. Naja, ausser, dass sie Fan von so einem Verein ist, aber da kann ja niemand etwas für. Ausser Schlackefans, die machen das extra! Vor 10 Jahren hätte ich tatsächlich nicht mit ihr geredet, weil ich das ein ganz klein wenig zu ernst genommen habe mit der Feind*innenschaft. Boah, bin ich ein hochnäsiges Arschloch gewesen. Die gute, alte Zeit…

12.10 Uhr Zum Mittag gab es Nudeln Bolognese, Selerie-Krautsalat (nenne ich es einfach mal) und eine Pflaume. Kann mich nicht beschweren. Mist!

13.00 Uhr Eine geraucht und auf dem Rückweg habe ich mich in den Klinikladen getraut. Ich bekomme zwar nachher Schoki und Co., aber das wird bei mir nicht schlecht. 7 Euronen und ein paar Kaputte für eine Tafel Schoki, ein Päckchen Plätzchen und eine kleine Flasche Fritz-Kola (ist das Unternehmen oder sie Besitzer nicht negativ aufgefallen? Irgend etwas uncooles war doch da.)

13.05 Uhr Mhmmm Schoki und Kola! 🙂 Wenn es etwas gibt, was ich aus meinem Tagesklinik-Aufenthalt 2018 in Wuppertal gelernt habe, dann ist’s Genuss. Ausser bei Schoki. Die inhaliere ich. Ich nehme mir immer vor, auch Schoki zu geniessen, aber das merke ich erst nach der Tafel.

15.00 Uhr R. war da und hat mir meine Schlappen und Schluckerzeugs gebracht. Wir haben noch im Klinik-Cafè zwei Cappuccinos gesüppelt und draussen eine geraucht. Das war so schön! Beim Taschepacken vorm Klinikgang habe ich eine Badehose eingepackt, aber keine Flip Flops und Hausschuhe. Das war schon ein wenig eklig, Barfuss die paar Schritte zum Zimmer zu latschen und nervig andauernd mit den Strassenschuhen rumzulaufen, aber diese Zeiten sind jetzt vorbei.

17.00 Uhr Letztes WE habe ich mir über ebay das ST. Pauli-Jubiläumsbuch bestellt. Dieses habe ich schon länger im Auge, aber es war mir immer zu teuer. Also gebraucht zu teuer. Soweit ich kann, kaufe ich seit ca. 5 Jahren alles Second Hand, ausser Unterbuchsen und Socken. Keine Ahnung, warum ich dabei so spiessig bin. Jetzt erst einmal ein wenig lesen.

18.00 Uhr Ich versuche seit ungefähr zweieinhalb Stunden an Schmerztabletten zu kommen, aber das Pflegezimmer ist nicht besetzt. Langsam wird der Druck im Kopf stärker. Vielleicht sollte ich mich vor die Tür legen, damit ich die Person nicht mehr verpasse…

18.10 Uhr Abendbrot war gut. Ich habe jetzt Schoko-Creme.

18.45 Uhr Ich habe endlich eine Ibu bekommen und gleich sogar ein Gespräch mit meiner Bezugspflege. Ich glaube, ich bin ihr zuvor gekommen. Ich habe nämlich gefragt, wer meine BP ist und sie sagte dann „Ja, ich wollte eh noch auf sie zukommen. Wir können gleich das Erstgespräch halten.“. Jau du, machen wa.

20.15 Uhr War ein gutes Gespräch. Es ging darum, worauf wir hier den Fokus legen möchten. Ich habe mich für Antrieb, meine kurze Zündschnur und Achtsamkeit entschieden. Ist echt kacke, wenn Mensch so viele Baustellen hat.

22.00 Uhr Gute Nacht. Endlich wieder pennen…

Tag 2

Mittwoch, 12.04.2023 Migräne

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Depressionen, Zwänge, Borderline, Psychosen), Schlaganfall, Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, missgendern

6.15 Uhr Ich hatte eine sehr unruhige nacht, habe aber nur einmal um mich geschlagen. Geschrieen habe ich wohl nicht.

Abends hat es sich so angehört, als wenn jemand weint. Das ging länger so. Gehört dazu, aber dieser Umstand hat mich an meinem Aufenthalt 2012 auf der Stroke Unit in einem KH in Dortmund erinnert. Das ist die Schlaganfall-Abteilung. Ich bin eigentlich nur in die Notaufnahme, weilich dachte, dass ein Krankenschein von ’nem Krankenhaus mal etwas anderes ist und dies ein wenig Abwechslung bringt. Konnte ich ja nicht wissen, dass die mich sofort da behalten. Ich musste Tage aufs Ergebniss warten. Es Hiess nur „Entweder ist’s ein Hirntumor, Meningitis (Hirnhautentzündung) oder ein Schlaganfall. Die Warterei war die Hölle. Nicht nur, weil das Ergebnis auf jeden Fall kacke ist, sondern auch die Nächte waren der Horror. Eines Nachts musste eine Person vom Pflegepersonal beruhigt werden, weildiese dachte, sie wird gerade von Ausserirdischen eingefangen. In einer anderen Nacht wurde ich plötzlich wach, weil ein Bettnachbar auf meinem Bett sass. Als ich ihn fragte, ob alles okay sei, hat ersich erschrocken, weil er dachte, er sitzt auf seinem Bett. Danach konnte ich in den nachfolgenden Nächten nicht mehr richtig pennen. Bettnachbar Nummer 2 musste ans Bett gefesselt werden, weil er andauernd das Zimmer auseinander genommen hat. Er konnte nicht mehr sprechen und wollte irgendwas. Niemand hat ihn verstanden. Vielleicht wusste er selbst nicht was er genau wollte. Dieser ca. zweiwöchige Aufenthalt hat mich sehr geprägt. So etwas kannte ich nur mit Psychiatrien aus Filmen. Dies hier ist mein 6ter Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik und vergleichbares habe nie erlebt. Will ich auch nicht mehr.

7.30 Uhr Kurze Morgenrunde mit kleiner Zusammenfassung, wie die letzte Nacht war und was Mensch gestern gut fand. Die Krankenhaus-Katze hat uns währenddessen besucht. Cooles Tier. Katzen sind Arschlöcher, diemag ich.

7.50 Uhr Frühstück, zwei Brötchen mit drei verschiedenen Marmeladen und eine Pflaume

8.30 Uhr sollte ich mir einen Termin beim Werken holen und konnte sofort dort bleiben. Damit habe ich nicht gerechnet, aber es tat sehr gut und ich bastel mir einen Hocker aus Holz. Freu mich sehr aufs Ergebnis.

9.30 Uhr Erstmal eine ins Gesicht stecken und Kaffee trinken. Meine Mitpatient*innen sind alle ganz nett. Ich fliege aber noch stealth, weil ich mich nicht traue, mich zu outen. Hier tut es aber nur halb so weh, missgendert zu werden. Zwei Personen haben mich auf meinen Vornamen angesprochen, denen habe ich erzählt, dass ich 2020 eine Personenstandänderung vollzogen habe, als divers eingetragen bin und diesen Vornamen dann angenommen habe. Das ist wie mit Veganismus. Ich will es niemanden auf die Nase binden, weil ich keine Böcke aufs Gelaber habe. Wenn Menschen mich darauf ansprechen, mache ich aber auch kein Geheimnis draus. Das funktionockelt ganz gut. Ich bin ja so schon der bunte Vogel ganz in Schwarz.

11.00 Uhr Mein erstes Gruppengespräch. Nach 20 Minuten habe ich abgeschaltet und war fertig mit den Nerven. Am zweiten Tag ganz normal.

12.00 Uhr Mein Mittagessen ist nicht gekommen, aber voll unpassend. Ich habe wahnsinnige (Raffste? Ich bin doch inner Klappse!) Kopfschmerzen und bekomme irgendein Ferrum-Quar-Zeugs. Ich wollte Ibus einnehmen, habe mich aber nicht getraut zu sagen, dass ich echte Medizin nehmen möchte. Ich habe schon gesagt, dass ich die nicht ausprobieren will, durfte aber nur die nehmen, weil in .einer Akte noch nichts über meine Bedarfsmedikation stand. Dann schlucke ich halt das Zeugs. Was keine Wirkung hat, hat auch keine Nebenwirkung.

14.00 Uhr Ich werde aus’m Tiefschlaf gerissen und darf mit Koppschmerzen zum EKG latschen. Als ich auf den Ausdruck schaue, steht dort „männlich“. Alle Angaben wurden erfragt, nur das wird automatisch ausgefüllt. Vielleicht ist die Angabe für die Werte wichtig (Gendermedizin), allerdings hat mir das jetzt heute das Genick gebrochen. Ich kämpfe täglich zigmal darum, angemessen gegendert zu werden. Gendermedizin hat seine Berechtigung, aber ab wann ist ein Körper männlich und ab wann weiblich? Muss eine Brust eine bestimmte Grösse haben, um weiblich zu sein? Ich kenne meine Thesto-Werte nicht, aber naja. Egal. Während des Wartens wurde ich von einer Mitpatientin gefragt, welches Statement hinter meinem Auftreten steckt. Mein Statement heisst „LECKT MICH ALLE AM ARSCH!“, hätte ich gerne geantwortet und habe nur gesagt, dass es keins gibt und ich mich so wohlfühle. Boah, wat bin ich langweilig, ey! Die Person hat mir erzählt, dass sie vom Land kommt. Dort ist mensch ja nicht viel gewohnt, habe ich trotzdem kein verständnis für.

14.30 Uhr Ich frage nochmals nach Kopfschmerztabletten, aber in meiner Akte steht immernoch nichts zur Bedarfsmedikation. Aber gute Nachricht, in 10 Minuten ist die Ärztin zu sprechen und wird dann von der Pflege angerufen. Hey, lasst euch Zeit. Meine Birne wird schon nicht platzen. Auch, wenn’s sich so anfühlt.

14.47 Uhr Toll. Mir wird jetzt auch noch schlecht. Die Kopfschmerzen werden migränig. Ich will pennen.

14.50 Uhr wollte nicht genau nach 10 Minuten auf der Matte stehen und bekomme jetzt tatsächlich eine Ibu, die jetzt auch nicht mehr viel bringt. Vielleicht wird’s dadurch nicht noch schlimmer.

14.51 Uhr Gute Nacht!

Tag 1

Dienstag, 11.04.2023 Erst einmal eine ins Gesicht stecken

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Depressionen, Zwänge, Borderline, Ängste), Schlaganfall, Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, missgendern, Corona

8.30 Uhr: An der Eingangstür hängt ein Schild mit der Bitte das Krankenhaus ausschliesslich mit Maske zu betreten. Hält sich niemand dran. Naja, vereinzelte, an einem Finger abzählbare Personen schon. Ich will wieder weg!

8.30 Uhr: Ich stehe vor der Patient*innenaufnahme und warte auf Einlass. Es hat sich nur eine Person (unwissentlich) vorgedrängelt, da ich bei Tür 2 gewartet habe, wie es auf dem Aushang steht. Dass Mensch trotzdem auch Tür 1 benutzen sollte, da Tür 2 wohl gar nicht besetzt ist, war nirgends zu lesen. Ich will rauchen! Und weglaufen!

9.00 Uhr und ich sitze auf der Station, warte auf Ansprechpersonen und wurde innerhalb von 30 Minuten nur einmal als „junger Mann“ betitelt. In der Theorie und bei der Aufnahme gibt sich die Klinik Mühe, was das Gendern angeht, aber in der Praxis hapert es an vielen einzelnen Personen, die damit (noch) keine Berührung hatten. Ich will quartzen! Und weglaufen! Und schlafen!

9.25 Uhr: Eine Ansprechperson kommt vorbei und fragt mich, wie ich angesprochen werden möchte. Ich weiss, es ist nicht leicht, mich einfach nur mit meinen Vor- und Nachnamen anzusprechen, aber es ist Gewohnheit und das ist auch nicht zu viel verlangt. Mein Zimmer ist noch nicht fertig. Ich will auch gar nicht in das Männerzimmer, aber was soll ich machen? Keine Hilfe ist gerade keine Option. Ich habe wahnsinnig Durst konnte aber nur ein „Nein, Danke“ rausquetschen, als mir von einer Mitpatientin Wasser und Kaffee angeboten wurde. Was würde ich jetzt für etwas zu Trinken geben. Keine Wörter auf jeden Fall! Soviel weiss ich. Schon lange keine mehr im Gesicht stecken gehabt… Während ich wenigstens alleine im sogenannten Wohnzimmer sitze, habe ich ordentlich Zeit zum Nachdenken. Mit wie vielen Typen muss ich mir wohl mein Zimmer teilen? Wie viele Macker innerhalb der Klinik werden sich von mir in ihrer Männlichkeit bedroht fühlen? Werden TERFs anwesend sein? Werde ich anthroposophische „Behandlungen“ ausprobieren müssen? Und, wenn ich diese verweigere, werde ich dann sofort als engstirnig, voreingenommen oder sonstiges abgestempelt? Ich mache es ja allen schon eh schwer genug, weil ich nichtbinär bin. Und, wie mache ich das mit dem Maske tragen? Ich bin ja auch noch risikogruppenangehörig und habe keine Böcke auf Covid-19. Ach Anny, du bist so tapfer! Am Arsch, ey! Ich will rauchen! Und jemanden anschreien! Am besten, ich hau ab!

9.50 Uhr: Jetzt kommense langsam alle hervor. So, wie es aussieht, werde ich mit einer weiteren Person auf dem Zimmer sein. Diese wirkt nett. Hier bin ich jetzt aber auch die einzige Person mit Maske. Fast jede Person, die mit mir quatscht, sagt mir, dass ich die Maske abnehmen kann. Nur, wenn ich möchte natürlich. Sollte ich vielleicht auch machen. Spätestens auf meinem Zimmer, beim gemeinsamen Essen oder beim Sport werde ich eh keine mehr aufhaben. Hau ab! Allein aus Prinzip lasse ich den Scheiss jetzt auf! Nur noch 6 Wochen…

10.00 Uhr: Es ist mir zwar total unangenehm, meine Kopfhörer aufzusetzen, aber Musik hilft mir fast immer. Das tut gut. Um in letzter Zeit nach draussen und unter Menschen gehen zu können, habe ich nicht nur Musik auffe Ohren, sondern auch zwei Apps im Hintergrund geöffnet. In der einen geht es um Stresstraining und Methodenkoffer, in der anderen ist eine SOS- Meditation geöffnet und stehts griffbereit. Ich möchte niemanden anschreien. Auch Arschlöcher nicht!

10.35 Uhr: Ich habe mich in meinem Zimmer eingerichtet, mir wurde die Station gezeigt und Blut abgenommen. Als nächstes kommt das Vorgespräch und das war es dann auch für heute. Jetzt könnte ich rauchen, aber ich habe Angst, dass die Ärztin genau dann bereit ist. Wenigstens habe ich jetzt was getrunken. Das Essen wird auch lustig. Auch da verlange ich eine Extrawurst. Eine vegane. Ich will hier für Veganismus genauso wenig Werbung machen, wie fürs Rauchen oder Anthroposophie, aber das ist (gerade) mein Leben, diese Klinik ist für mich zuständig und länger warten für eine andere Klinik ist gerade keine Option. Zurück zum Veganismus. Ich bezeichne mich als antivegan eingestellte*r Veganer*in. Dieses „Veganismus ist die Antwort auf alles böse!“ geht mir auf den Zeiger. Ausserdem ist Veganismus Privilegierte Kackscheisse. Das musst du dir erst einmal leisten können und dabei geht es nicht ausschliesslich um die Geldfrage. Es gibt Menschen mit Essstörungen oder andere Erkrankungen, die das Mahl bestimmen. Oder, wenn du genug mit irgendwelchen Diskriminierungen zu tun hast, kannst du dich vielleicht nicht mit (nichtmenschlichem) Tierleid beschäftigen. Blablabla…

11.00 Uhr: medizinische Untersuchung, nette Person

12.00 Uhr: Mittagessen, 7 warme Salzkartoffeln, Damit habe ich schon gerechnet. Viele solcher Grossküchen sind am ersten Tag überfordert. Wenigstens habe ich jetzt etwas im Magen und kann meine Tabletten nehmen, die ich mir eigentlich nachm Frühstück reinpfeife.

12.30 Uhr: Eine kurze Aufnahme vom Pflegepersonal und danach kommt noch die psychologische Aufnahme und dazwischen immer wieder warten und auf Abruf bleiben. Gut, dass ich mittlerweile ein kleines Buch für die ambulante Therapie habe, in dem ich sämtliche Auffälligkeiten, aufgeteilt in Depressionen und Zwänge, aufschreibe. Wenn ich bei Erstgesprächen erklären soll, wie sich die Depris und die Zwänge bemerkbar machen, fällt mir nichts ein. Das ist so peinlich und ärgerlich. Dass ich alles ablese und meine Sammlung präsentiere fühlt sich zwar auch komisch an, aber irgendwas ist halt immer.

13.00 Uhr: Hab noch Mittagessen nachbekommen, Graupen mit Gemüse und Sosse. War lecker. Mein Bettnachbar hatte mir nach dem Mittagessen zwei Hanuta ans Bett gelegt. Netter Typ. Wir haben uns auch schon ein wenig beschnuppert. Passt.

14.00 Uhr Die Psychologin musste unser Gespräch nach Punkt 1 von 3 abbrechen und meldet sich später nochmal. Ich hätte nachfragen und es mir aufschreiben sollen, aber ich war zu feige nochmal nachzufragen, ob es heute noch was wird. Also wieder auf Abruf bleiben und sich Gedanken machen, ob ich etwas falsch verstanden habe.

18.00 Uhr Abendbrot, nette und leckere Zusammenstellung, die auch noch satt macht. Die Psychologin wird wohl erst am Donnerstag wieder auf mich zukommen, weil sie morgen nicht da ist. Rauchen? Kein Bock!

18.52 Uhr Gute Nacht! :-*