Tag Archives: Herdecke

Tag 15

Dienstag, 25.04.2023 – schachten im Bett

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen,, Sodbrennen, Schlafprobleme, Anspannung, innerer Druck

Erste Nacht allein im Enby-Zimmer. Das war super. Hoffentlich bekomme ich noch ein paar Tage…

oder Wochen. 🙂

7.20 Uhr Der Plan mit den Tagesterminen liegt noch nicht aus. Das macht mich fertig. Eigentlich gehe ich um kurz nach 7 dort ran und schreibe meinen Tagesplan fertig. Soll ich das in meine Spannungskurve schreiben, dass die Anspannung bei 90% liegt und die Pflegerin dadurch anprangern¹? Uncool! Mache ich trotzdem, aber das fühlt sich nicht richtig an. Übertreibe ich damit? Vermutlich! Aber so sieht’s in meiner Birne aus. Herzlich willkommen. Nimm dir ’n Stuhl und geniesse diese Achterbahnfahrt. Kotzen ist inklusive. Tüten kotz… äh kosten extra, sind aber Fairtrade und Bio. Vegan sindse nicht, wir wollen’s ja nicht übertreiben!

7.33 Uhr ich habe den Plan hingerotzt und komme trotzdem zu spät zum morgentlichen Stretchen auf’m Flur. So kann die Anspannung nicht runtergehen. Die Anschliessende Morgenrunde ist ein wenig lustig. Alle haben schlecht geschlafen, ausser ich. Ich glaube zumindest, dass meine Nacht ganz okay war. Wenn ich mir die Anderen so anhöre, fange ich aber an zu zweifeln…

7.45 Uhr Jetzt sollte ich eigentlichmit der Pflege meinen Tagesplan durchgehen, aber es sind noch 2 Leute mit Tagesplan vor mir. Die Pflegerin kommt mit der ersten Person raus, guckt uns an und sagt genervt:“ Wir haben 4 Leute mit Vorblick (so heisst der Durchgang mit der Tagesplanung). Sie könnten ja auch vor der Morgenrunde kommen.“ „Alter*! Was los mit dir?“, denke ich mir so und sage stattdessen:“ Wenn der Tagesterminplan vorher ausliegt, kann ich das gerne machen.“ Da geht sie gar nicht drauf ein. „Wer von Ihnen kommt um 7.15 Uhr?“ Ich: „Kann ich machen.“ Scheiss drauf. Wenn der Tagesterminplan dann noch nicht fertig ist, ziehe ich’s trotzdem so durch. Ich wünschte, ich wäre „Draussen“ und würde mich darüber aufregen, dass die Margarine schon wieder 5 Cent teurer geworden ist, stattdessen sowas…

8.10 Uhr Schnell das Frühstück reinpfeifen, damit ich nicht zu spät zu Musik komme. Ich freue mich auf Musik und habe gleichzeitig Angst davor, ohne Plan oder Vorgaben ein oder mehrere Musikinstrumente zu bespielen. Cool. Ich darf mir aussuchen, was ich zuerst benutzen will. Xylophon! Damit hört es sich immer gut an. Geiles Instrument! Nach 30 Minuten musizieren mit Xylophon und Hang Drum, darf ich mich, wie versprochen, 20 Minuten alleine mit der Handpan anfreunden. Komisches Gefühl. Ohne Anleitung kann ich einfach nichts. Ich brauche einen Grund und einen Plan, um mich „frei“ zu fühlen. Hat trotzdem Spass gemacht und ich werde es weiter versuchen, wirklich frei agieren zu können.

10.00 Uhr So! Jetzt endlich 2 Stunden nichts. Duschen und die Hühner besuchen ist angedacht. Aber keine Ahnung, warum meine Anspannung wieder auf die 90 zugeht. Da ist doch gerade nichts. Oder ist es genau das? So wird’s auf jeden Fall nie langweilig.

Und einen neuen Bettnachbar habe ich auch schon. Er scheint aber wenigstens nett zu sein. Mal schauen, ob und wann ich es schaffe, mich bei ihm zu outen. M. wird allerdings niemand ersetzen können.

14.00 Uhr Nach dem Mittagessen habe ich erst einmal im St. Pauli-Buch weitergelesen. S. kommt mich heute mit Kind und Hunde besuchen. Darauf freue ich mich schon sehr. Wir kennen uns schon seit über 10 Jahren und waren zusammen sehr viel tierrechtlerisch unterwegs. Das schweisst zusammen, wenn du zusammen auf Demos gehst, Infostandarbeit machst versuchst Nazidemos zu blockieren. Womit ich nicht gerechnet habe, ist, dass wir eine grosse Runde im Wald spazieren gehen und ich fast zu spät zu meinem Pflegegespräch komme. Punkt 16.00 Uhr komme ich abgehetzt zum Pflegeraum und muss dann 10 Minuten auf meine Bezugspflege warten. Toll. Da hätte ich mich auch noch vernünftig von den beiden verabschieden können…

16.40 Uhr Wir haben zum ersten Mal „Stabübungen“ gemacht. Dabei balancieren wir gegenüber gestellt die Enden der Stäbe zwischen unseren Handflächen, schliessen die Augen und gleiten zusammen durch den Raum. Und das ohne Anleitung. Einfach fliessen lassen. Wat!?! Ich bin total überfordert und frage mich die Ganze Zeit, ob das einen anthroposophischen Hintergrund hat. Eigentlich egal. Körperarbeit ist für mich genauso wichtig, wie mentale Arbeit. Ich möchte mehr Kontakt zu meinem Körper bekommen, aber ohne Anleitung? Und dann evtl. noch anthro-Style-mässig? Puh. Ich bleibe (noch) offen und will ja auch. Mal schauen, wie’s die nächsten Tage weitergeht. Erst einmal Globulis rauchen gehen…

Als ich draussen ankomme, stehen R. und meine Mom schon unten. Die Nachricht, dass sie da sind, wurde verschickt, als ich schon auf dem Weg war. Trotzdem erstmal quartzen. Soviel Zeit muss sein. Nach einem kleineren Spaziergang, wollen wir noch ins Cafè und kommen mal wieder ausserhalb der Geschäftszeiten an. Hinsetzen kann Mensch sich dort trotzdem.

19.00 Uhr Den abendlichen Spaziergang schenke ich mir heute. Lieber noch ein wenig im Bett schachten. Also Schach auf dem Handy zocken. Im Bett. Liegend!

Was für ein Tag, ey… Guts Nächtle!

¹Alleine aus antirassistischer Perspektive benutze ich das Wort „anschwärzen“ absichtlich nicht. Genauso, wie ich andere Worte nicht benutze, die „schwarz“ negativ darstellen.

Das ist übertrieben? Ist auch echt zuviel verlangt, eine schon vorhandene Alternative zu benutzen, du privilegiertes Arschloch!

Tag 7

Montag, 17.04.2023 – Danke Merkel!

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Schlafprobleme, Angespanntheit, Schizofrenie

Die beiden, die sich gestern fast gekloppt haben, stellten sich als eine schizofrene Person raus, bei der momentan die Medis umgestellt wurden. Das tut mir so leid. Mensch vergisst sehr schnell, wo wir hier sind. Das ist kein Ferien-Camp. Wir haben alle unsere Päckchen zu tragen.

6.30 Uhr Ich hatte mal wieder eine sehr unruhige Nacht und komme sehr schwer aus dem Bett. Der Mensch von gestern Abend steht auch schon wieder gefühlt unterm Fenster und disskutiert. Erst einmal Zähne putzen und dann eine rauchen.

7.15 Uhr Auf dem Rückweg vom Rauchhäuschen fällt mir auf, dass mir Fugen auf dem Boden ordentlich Druck mach, es aber auch gut den Druck nimmt, wenn ich sie in meinem System erwische. Der Kontrollzwang sorgt dafür, dass Aussenstehende nicht sehen dürfen, dass ich „bekloppt“ bin (ich benutze hier absichtlich ableistische Sprache, da es genau das ist, was in meinem Kopf vorgeht). Um das Ganze ein wenig in Einklang zu bringen habe ich ein spezielles System, wie ich Fugen erwischen muss. Das hatte ich schon ewig nicht mehr und ich habe Angst, dass ich das extra mache, um kränker zu sein. Damit ich so zu sagen eine Berechtigung für meinen Platz hier habe. Oder, um mich „wichtiger“ zu machen. Oder keine Ahnung. Ich mache mir zu viele Gedanken. Jetzt erst einmal ab in die Morgenrunde.

7.30 Uhr “ Mein Wochenende war eigentlich sehr schön, aber sehr anstrengend. Ich hatte eine sehr unruhige Nacht und worauf freue ich mich denn heute?… Auf das Ende des Tages!“ Theatralischer geht’s nicht, aber ich will diesen Tag einfach nur verpennen. Und zwischendurch rauchen…

8.00 Uhr Diese doch noch neue Umgebung und jetzt die noch hinzukommenden Termine, die alle ordentlich Druck aufbauen, machen mir gerade sehr zu schaffen. Ich bin schon einmal zu spät gekommen. Kacke! Heute habe ich zum ersten Mal Musiktherapie und habe gehört,  es gibt sogar ein Klavier. Da habe ich total Böcke drauf und gleichzeitig wahnsinnig Angst, zu versagen. Das ist mein erster Klinilaufenthalt, an dem ich total Spass an dem handwerklichen Zeug habe und jetzt noch Musik mit Klavier. Ein Traum. Hoffentlich geht das „Alb“ dieses Traumes in den nächsten Tagen bzw. Wochen flöten und ich kann das alles besser geniessen. Mir ist bewusst, dass ein Klinikaufenthalt harte Arbeit bedeutet, aber wenn ich schon die Chance habe, ordentlich Spass dabei zu haben, versuche ich kein schlechtes Gewissen zu haben, bzw. diesem schlechten Gewissen keinen Raum zu geben.

11.00 Uhr Gruppentherapie. Nach der kurzen Einführungsrunde, in der wir kurz unser Empfinden ansprechen, will ich unbedingt die Kacke mit den kack Fugen ansprechen. Das erhöht den hohen Druck gerade eh nochmals um einiges. Da ich mich aber auch nicht in den Mittelpunkt stellen will, warte ich noch ein bisschen, bis ich mich zu Wort melde. Tja. Da war jemand sehr schnell und wir kümmern uns in der Sitzung um sein Thema. Pech! Hoffentlich bekomme ich bald ein Einzelgespräch…

12.30 Uhr Jetzt zum Nachtisch erst einmal eine halbe Tafel Schoki inhalieren, dann Kopfhörer in die Ohren und noch eine Stunde pennen. Danach kann ich mich langsam fertig machen, um um 14.10 Uhr bei der Musitherapie zu sein. Ich stelle mir zwei Wecker. Einen auf der Uhr den anderen im Handy. So kann nichts schief gehen.

Die Tür springt auf, die Pflegerin kommt reingestürmt und holt mich aus’m Tiefschlaf. „Sie haben Musiktherapie! Sie werden erwartet!“ Ich gucke halb verschlafen auf die Uhr: Viertel nach! AAAAAH! Wie kann mir so etwas schon wieder passieren? Das darf nicht wahr sein. Echt nicht. Schnell anziehen, einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche nehmen und dann ab dafür. Am liebsten würde ich an dem Therspie-Häuschen vorbeilatschen und abhauen. Das ist mir so unangenehm. Das bin nicht ich. Unterwegs schaue ich nochmal nach, ob die Wecker überhaupt geklingelt haben. Äh!?! 13.30 Uhr? Was ist da denn los? An der Tür werde ich schon mit einem vorwufrsvollem Blick erwartet. Dann stellt sich heraus, dass die Therapeutin die Uhrzeit in meinem Plan falsch eingetragen hat. Es lag nicht an mir? Jau. Puh! Jetzt ’ne Kippe. Oder ein Bett. Oder eine Kippe im Bett. Wie früher im Kinderzimmer.
Eigentlich hätte ich von 13.10 Uhr bis 13.50 Uhr Musik gehabt und wir quatschen kurz zum kennenlernen. Ich erkläre ihr, warum ich hier bin und was ich mir wünsche. Dann bekomme ich ein Xylophon vorgesetzt und wir Jammen einfach eine Runde. Sie begleitet mich mit dem Klavier. Das ist mir so peinlich, aber ich fange einfach an. Und es hört sich sogar richtig gut an. So richtig. Ich will gar nicht mehr aufhören. So gar nicht. Einfach nur geil. So etwas habe ich noch nie gemacht.

14.10 Uhr Ich liege im Bett und muss das alles erst einmal verdauen. Was für ein Chaos. [Nicht Anarchie! 😉 ]Anarchie bedeutet Herrschaftslosigkeit, Gleichberechtigung aller, keine Nationen und Grenzen. Utopie? Ja. Werde ich nie erleben? Auch ja. Na und? Ich will mir an meinem Sterbebett in die Augen gucken können und das könnte ich momentan. Natürlich lebe auch ich in meinen Augen nicht perfekt. Ich versuche in diesem System zu (über-)leben. Wie alle anderen auch. Dazu kann ich „Manifest“ von Früchte des Zorns empfehlen. Genau das!

15.30 Uhr Erst einmal ein Stündchen pennen…

17.30 Uhr Der Wecker holt mich schon das dritte Mal aus’m Schlaf. Dieses Stück Scheisse! (Das ist eine politisch korrekte Beleidigung!) Eigentlich würde ich auf das Abendbrot verzichten und bis morgen früh durchpennen, aber danach ist noch Stationsversammlung. Dann kann ich auch vorher aufstehen und etwas Essen. Ich habe jetzt auch endlich einen Termin für mein erstes Therapiegespräch. Und dann noch mit dem Arzt, der sehr sympathisch ist und der schon die Gruppentherapie leitet, die ich Montags und Mittwochs habe.

18.30 Uhr Auf der Stationsversammlung am Montag werden die Ordnungsdienste verteilt. Ich werde morgens die Frühstück-Tabletts verteilen. Aber auch nur, weil ich das nicht alleine machen muss. Ich kann mir schon keine Namen merken und schon gar nicht die Sitzordnung. Ich dachte mir, dass ich zwei Dienste ganz gut hinbekomme und meldete mich noch mit drei anderen für den Küchendienst. Müll entsorgen, Tische abwischen und so. Das ist easy.

Und dann kommt’s. Die allseitsbeliebte Kochgruppe, die am Freitag für alle kocht. Ich will nicht, aber die anderen auch nicht. Nachdem sich partout keine vierte Person finden lassen wollte, wurde ich weich. Ich habe klar gemacht, dass ich nichts unveganes anfasse oder zubereite. Damit sind die Leute einverstanden und ich bin dann nächste Woche erst einmal raus da und kann das nächste Mal Kochgruppe dann ein paar mal hinauszögern. Toll ey. Danke Merkel!

19.30 Uhr Oh! Hab ganz vergessen, dass ich heute noch nicht duschen war. So bin ich dann noch ein wenig länger aus’m Bett. Das kann nicht schaden.

21.00 Uhr Mein Bettnachbar macht noch Birds of Prey auf seinem iPad an und stellt es zwischen unsere Betten auf ein Nachtschränkchen. Gute Nacht.

Tag 3

Donnerstag, 13.04.2023 vermatscht

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Depressionen, Zwänge, Borderline), Schlaganfall, Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, missgendern, Migräne

6.30 Uhr Vermatscht aufstehen. War wohl nicht genügend Schlaf… Erst einmal eine drehen und an die frische Luft gehen. Kaffe ist auch gut. Heute Nachmittag bekomme ich Hafermilch von R. geliefert. Keine Ahnung, worüber ich mich mehr freue. Doch, hab ich. Oder? Mhmm…

7.30 Uhr Kurze Morgenrunde „Ich habe gar nicht gut geschlafen, weil ich ab Mittag Migräne und den halben Tag verpennt habe. Auf’s Frühstück freue ich mich.“

8.00 Uhr Zwei Brötchen, drei verschiedene Marmeladen und schon wieder Honig. Wenn die Person(en) mir das schon zum Frühstück geben, will ich gar nicht wissen, was alles so unveganes im Mittagessen steckt… Hah! „Welches Statement hinter meinem Aussehen steckt!“ Ich lach mich immer noch kaputt!

8.15 Uhr Erst einmal das Tablett beim wegstellen mit einem lauten klirren auf den Boden fallen lassen. Alles voller Scherben. Das ist wohl allen schonmal passiert. Das ist auch okay, aber nicht, dass es mir passiert. Das geht gar nicht. „EY ANNY! Merkste selber, ne?“

8.30 Uhr Endlich wieder Werken. Hab voll Bock auf den Hocker, den ich bastle. Ich war schon in einigen Kliniken und Handarbeit habe ich immer gehasst. Hier habe ich total Böcke drauf und habe jetzt Angst, mich wieder überanzustrengen (ist das ein Wort? Also, ein richtig echtes?). Ich will nicht wieder Migräne bekommen. Mann ey!

10.00 Uhr Total verschwitzt und zufrieden erst einmal rasieren und duschen. Für heute scheine ich nichts mehr zu haben. AUCH KEINE MIGRÄNE! Hörst du!?!

11.30 Uhr Und, mit wem verstehe ich mich hier am besten? Genau. Mit dem Schlackefan. Voll gut gerade über lesbische Ehen (sie), das gendern generell gequatscht und mich bei ihr geoutet. Einfach toll. Naja, ausser, dass sie Fan von so einem Verein ist, aber da kann ja niemand etwas für. Ausser Schlackefans, die machen das extra! Vor 10 Jahren hätte ich tatsächlich nicht mit ihr geredet, weil ich das ein ganz klein wenig zu ernst genommen habe mit der Feind*innenschaft. Boah, bin ich ein hochnäsiges Arschloch gewesen. Die gute, alte Zeit…

12.10 Uhr Zum Mittag gab es Nudeln Bolognese, Selerie-Krautsalat (nenne ich es einfach mal) und eine Pflaume. Kann mich nicht beschweren. Mist!

13.00 Uhr Eine geraucht und auf dem Rückweg habe ich mich in den Klinikladen getraut. Ich bekomme zwar nachher Schoki und Co., aber das wird bei mir nicht schlecht. 7 Euronen und ein paar Kaputte für eine Tafel Schoki, ein Päckchen Plätzchen und eine kleine Flasche Fritz-Kola (ist das Unternehmen oder sie Besitzer nicht negativ aufgefallen? Irgend etwas uncooles war doch da.)

13.05 Uhr Mhmmm Schoki und Kola! 🙂 Wenn es etwas gibt, was ich aus meinem Tagesklinik-Aufenthalt 2018 in Wuppertal gelernt habe, dann ist’s Genuss. Ausser bei Schoki. Die inhaliere ich. Ich nehme mir immer vor, auch Schoki zu geniessen, aber das merke ich erst nach der Tafel.

15.00 Uhr R. war da und hat mir meine Schlappen und Schluckerzeugs gebracht. Wir haben noch im Klinik-Cafè zwei Cappuccinos gesüppelt und draussen eine geraucht. Das war so schön! Beim Taschepacken vorm Klinikgang habe ich eine Badehose eingepackt, aber keine Flip Flops und Hausschuhe. Das war schon ein wenig eklig, Barfuss die paar Schritte zum Zimmer zu latschen und nervig andauernd mit den Strassenschuhen rumzulaufen, aber diese Zeiten sind jetzt vorbei.

17.00 Uhr Letztes WE habe ich mir über ebay das ST. Pauli-Jubiläumsbuch bestellt. Dieses habe ich schon länger im Auge, aber es war mir immer zu teuer. Also gebraucht zu teuer. Soweit ich kann, kaufe ich seit ca. 5 Jahren alles Second Hand, ausser Unterbuchsen und Socken. Keine Ahnung, warum ich dabei so spiessig bin. Jetzt erst einmal ein wenig lesen.

18.00 Uhr Ich versuche seit ungefähr zweieinhalb Stunden an Schmerztabletten zu kommen, aber das Pflegezimmer ist nicht besetzt. Langsam wird der Druck im Kopf stärker. Vielleicht sollte ich mich vor die Tür legen, damit ich die Person nicht mehr verpasse…

18.10 Uhr Abendbrot war gut. Ich habe jetzt Schoko-Creme.

18.45 Uhr Ich habe endlich eine Ibu bekommen und gleich sogar ein Gespräch mit meiner Bezugspflege. Ich glaube, ich bin ihr zuvor gekommen. Ich habe nämlich gefragt, wer meine BP ist und sie sagte dann „Ja, ich wollte eh noch auf sie zukommen. Wir können gleich das Erstgespräch halten.“. Jau du, machen wa.

20.15 Uhr War ein gutes Gespräch. Es ging darum, worauf wir hier den Fokus legen möchten. Ich habe mich für Antrieb, meine kurze Zündschnur und Achtsamkeit entschieden. Ist echt kacke, wenn Mensch so viele Baustellen hat.

22.00 Uhr Gute Nacht. Endlich wieder pennen…

Tag 1

Dienstag, 11.04.2023 Erst einmal eine ins Gesicht stecken

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Depressionen, Zwänge, Borderline, Ängste), Schlaganfall, Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, missgendern, Corona

8.30 Uhr: An der Eingangstür hängt ein Schild mit der Bitte das Krankenhaus ausschliesslich mit Maske zu betreten. Hält sich niemand dran. Naja, vereinzelte, an einem Finger abzählbare Personen schon. Ich will wieder weg!

8.30 Uhr: Ich stehe vor der Patient*innenaufnahme und warte auf Einlass. Es hat sich nur eine Person (unwissentlich) vorgedrängelt, da ich bei Tür 2 gewartet habe, wie es auf dem Aushang steht. Dass Mensch trotzdem auch Tür 1 benutzen sollte, da Tür 2 wohl gar nicht besetzt ist, war nirgends zu lesen. Ich will rauchen! Und weglaufen!

9.00 Uhr und ich sitze auf der Station, warte auf Ansprechpersonen und wurde innerhalb von 30 Minuten nur einmal als „junger Mann“ betitelt. In der Theorie und bei der Aufnahme gibt sich die Klinik Mühe, was das Gendern angeht, aber in der Praxis hapert es an vielen einzelnen Personen, die damit (noch) keine Berührung hatten. Ich will quartzen! Und weglaufen! Und schlafen!

9.25 Uhr: Eine Ansprechperson kommt vorbei und fragt mich, wie ich angesprochen werden möchte. Ich weiss, es ist nicht leicht, mich einfach nur mit meinen Vor- und Nachnamen anzusprechen, aber es ist Gewohnheit und das ist auch nicht zu viel verlangt. Mein Zimmer ist noch nicht fertig. Ich will auch gar nicht in das Männerzimmer, aber was soll ich machen? Keine Hilfe ist gerade keine Option. Ich habe wahnsinnig Durst konnte aber nur ein „Nein, Danke“ rausquetschen, als mir von einer Mitpatientin Wasser und Kaffee angeboten wurde. Was würde ich jetzt für etwas zu Trinken geben. Keine Wörter auf jeden Fall! Soviel weiss ich. Schon lange keine mehr im Gesicht stecken gehabt… Während ich wenigstens alleine im sogenannten Wohnzimmer sitze, habe ich ordentlich Zeit zum Nachdenken. Mit wie vielen Typen muss ich mir wohl mein Zimmer teilen? Wie viele Macker innerhalb der Klinik werden sich von mir in ihrer Männlichkeit bedroht fühlen? Werden TERFs anwesend sein? Werde ich anthroposophische „Behandlungen“ ausprobieren müssen? Und, wenn ich diese verweigere, werde ich dann sofort als engstirnig, voreingenommen oder sonstiges abgestempelt? Ich mache es ja allen schon eh schwer genug, weil ich nichtbinär bin. Und, wie mache ich das mit dem Maske tragen? Ich bin ja auch noch risikogruppenangehörig und habe keine Böcke auf Covid-19. Ach Anny, du bist so tapfer! Am Arsch, ey! Ich will rauchen! Und jemanden anschreien! Am besten, ich hau ab!

9.50 Uhr: Jetzt kommense langsam alle hervor. So, wie es aussieht, werde ich mit einer weiteren Person auf dem Zimmer sein. Diese wirkt nett. Hier bin ich jetzt aber auch die einzige Person mit Maske. Fast jede Person, die mit mir quatscht, sagt mir, dass ich die Maske abnehmen kann. Nur, wenn ich möchte natürlich. Sollte ich vielleicht auch machen. Spätestens auf meinem Zimmer, beim gemeinsamen Essen oder beim Sport werde ich eh keine mehr aufhaben. Hau ab! Allein aus Prinzip lasse ich den Scheiss jetzt auf! Nur noch 6 Wochen…

10.00 Uhr: Es ist mir zwar total unangenehm, meine Kopfhörer aufzusetzen, aber Musik hilft mir fast immer. Das tut gut. Um in letzter Zeit nach draussen und unter Menschen gehen zu können, habe ich nicht nur Musik auffe Ohren, sondern auch zwei Apps im Hintergrund geöffnet. In der einen geht es um Stresstraining und Methodenkoffer, in der anderen ist eine SOS- Meditation geöffnet und stehts griffbereit. Ich möchte niemanden anschreien. Auch Arschlöcher nicht!

10.35 Uhr: Ich habe mich in meinem Zimmer eingerichtet, mir wurde die Station gezeigt und Blut abgenommen. Als nächstes kommt das Vorgespräch und das war es dann auch für heute. Jetzt könnte ich rauchen, aber ich habe Angst, dass die Ärztin genau dann bereit ist. Wenigstens habe ich jetzt was getrunken. Das Essen wird auch lustig. Auch da verlange ich eine Extrawurst. Eine vegane. Ich will hier für Veganismus genauso wenig Werbung machen, wie fürs Rauchen oder Anthroposophie, aber das ist (gerade) mein Leben, diese Klinik ist für mich zuständig und länger warten für eine andere Klinik ist gerade keine Option. Zurück zum Veganismus. Ich bezeichne mich als antivegan eingestellte*r Veganer*in. Dieses „Veganismus ist die Antwort auf alles böse!“ geht mir auf den Zeiger. Ausserdem ist Veganismus Privilegierte Kackscheisse. Das musst du dir erst einmal leisten können und dabei geht es nicht ausschliesslich um die Geldfrage. Es gibt Menschen mit Essstörungen oder andere Erkrankungen, die das Mahl bestimmen. Oder, wenn du genug mit irgendwelchen Diskriminierungen zu tun hast, kannst du dich vielleicht nicht mit (nichtmenschlichem) Tierleid beschäftigen. Blablabla…

11.00 Uhr: medizinische Untersuchung, nette Person

12.00 Uhr: Mittagessen, 7 warme Salzkartoffeln, Damit habe ich schon gerechnet. Viele solcher Grossküchen sind am ersten Tag überfordert. Wenigstens habe ich jetzt etwas im Magen und kann meine Tabletten nehmen, die ich mir eigentlich nachm Frühstück reinpfeife.

12.30 Uhr: Eine kurze Aufnahme vom Pflegepersonal und danach kommt noch die psychologische Aufnahme und dazwischen immer wieder warten und auf Abruf bleiben. Gut, dass ich mittlerweile ein kleines Buch für die ambulante Therapie habe, in dem ich sämtliche Auffälligkeiten, aufgeteilt in Depressionen und Zwänge, aufschreibe. Wenn ich bei Erstgesprächen erklären soll, wie sich die Depris und die Zwänge bemerkbar machen, fällt mir nichts ein. Das ist so peinlich und ärgerlich. Dass ich alles ablese und meine Sammlung präsentiere fühlt sich zwar auch komisch an, aber irgendwas ist halt immer.

13.00 Uhr: Hab noch Mittagessen nachbekommen, Graupen mit Gemüse und Sosse. War lecker. Mein Bettnachbar hatte mir nach dem Mittagessen zwei Hanuta ans Bett gelegt. Netter Typ. Wir haben uns auch schon ein wenig beschnuppert. Passt.

14.00 Uhr Die Psychologin musste unser Gespräch nach Punkt 1 von 3 abbrechen und meldet sich später nochmal. Ich hätte nachfragen und es mir aufschreiben sollen, aber ich war zu feige nochmal nachzufragen, ob es heute noch was wird. Also wieder auf Abruf bleiben und sich Gedanken machen, ob ich etwas falsch verstanden habe.

18.00 Uhr Abendbrot, nette und leckere Zusammenstellung, die auch noch satt macht. Die Psychologin wird wohl erst am Donnerstag wieder auf mich zukommen, weil sie morgen nicht da ist. Rauchen? Kein Bock!

18.52 Uhr Gute Nacht! :-*