Tag 51

Mittwoch, 31.05.2023 – Kulturtaschen-Punk

Inhaltsangabe: psychische Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Zwänge, Borderline), Klinikaufenthalte, Tabakkonsum, Essen, Schlafprobleme, Angespanntheit

Können Punks Kulturtaschen besitzen? Ist das dann noch true? Also, wegen Kultur und Punk. Das verträgt sich doch gar nicht. Ich habe keine Ahnung, aber seit gestern weiss ich auf jeden Fall, wie wichtig mir meine Kulturtasche ist. Diese habe ich nämlich am Montag zu Hause vergessen und konnte mir gestern Morgen nicht die Zähne putzen und mich rasieren. Oh! Putzen Punks sich überhaupt die Zähne? Oder geben es offiziell zu, dass sie es tun? Also putzen Punks sich heimlich die Zähne? Oder gar nicht? Bis zu welchem Schritt ist Punk dann noch Punk? Seitdem ein sehr guter Freund von mir, der Punk durch und durch ist, einen Golfarm hatte, glaube ich eigentlich auch mittlerweile an gar nichts mehr… Das ist Punk, das raffste nie!

6.00 Uhr Wir sind am Samstag umgezogen und haben so reingehauen, dass wir Fussball um 15.36 Uhr anmachen und schauen konnten. Dies steckt mir aber noch ganz schön in den Knochen. Ich will nicht aufstehen. Ich will pennen! Essen und trinken wäre auch noch akzeptabel. Kommt natürlich auch drauf an, um welche Speisen und Getränke es geht, aber ich gehe mal von schmackhaftem Zeigs aus. Da fällt mir ein: Denieren Punks Speisen und Getränke? Oder fressen Punks nur Pommes und trinken Hansa? Also zweiteres natürlich alkoholfrei, weil Queer Edge und so. Also nicht alle Punks, aber ein paar. Ach, lassen wir das.

7.00 Uhr mein neuer Bettnachbar ist voll nett und ich verstehe mich super mit ihm. Wir stehrn auch fast zur gleichen Zeit auf. Das passt ganz gut. Wir kommen uns auch nicht in die quere, wenn’s ums Zähne putzen geht. Weil ich ja Punk bin und nur zugucke, wie Normalos, Bürgis, etc. ihren Zähnen so etwas antun können. Also sich die Zähne putzen.
Ich kann jetzt endlich wieder meinen Tagesplan im Zimmer an meinem Tisch fertigmachen und brauche mich nicht ausm Zimmer schleichen. Find ich gut.

8.20 Uhr Wir stehen vorm Haus, in dem mehrere Kunst-Therapien stattfinden und rauchen uns noch eine. Wie jeden Morgen. Mittlerweile schmeckt’s mir gar nicht mehr und ich werde wohl zu meiner Entlassung am 06.06.2023 aufhören und kann mich dann wieder Queer Edge nennen. Beim Werken bin ich gerade dabei, die Beine so anzuspitzen, dass ich sie mit der Sitzfläche verbinden kann. Also reinstecken. Die Beine. In die Sitzfläche.

9.30 Uhr Jetzt schnell zurück zur Station und endlich rasieren. Das stressige daran ist, dass die Visite von Freitag auf heute verlegt wurde und ich mich für Freitag in einen der letzten Plätze eingetragen habe. Freitags habe ich erst Werken und im Anschluss bis 10.40 Uhr Musik. Mittwochs habe ich aber Werken und von 11.00 bis 12.00 Uhr Gruppentherapie. Die wollen mich jetzt in der letzten Woche ordentlich testen, ey. Als wenn es nicht reichen würde, dass der Feiertag am Montag die gesamte Woche kaputt macht. Okay. Ist ja eine gute Übung, da mir so etwas draussen ja auch passiert. ABER!
Ich hab’s aber geschafft, ohne mir das halbe Gesicht abzuschneiden, der übriggebliebene Bart ist auch okay und ich konnte noch in Ruhe einen Kakao trinken.

10.40 Uhr Letzte Visite hier für mich . Wir rekapitulieren nochmal die letzten 7,5 Wochen. Anfangs war ich sehr enttäuscht von mir extrem sauer auf mich, dass ich mal wieder in der Klappse gelandet bin. Ich dachte, ich bin momentan „besser“ aufgestellt und brauche das nicht, da ich gerade eine super Psychotherapeutin und einen BeWo-Betreuer habe. Die vorherigen Klinikaufenthalte habe ich auch in Frage gestellt. Jetzt weiss ich, dass jeder Aufenthalt wichtig war und mich zu der Person gemacht hat, die ich heute bin. Jeder verdammte Aufenthalt hat mir etwas gegeben. Und dieser hier genauso. Ich bin so froh, dass wir die Spannungskurve zusammen mit der Gefühlsliste täglich durchgehen. Auch meine Skills, die ich mir in den letzten Jahren erarbeitet habe, konnten wir verfestigen und es sind neue hinzugekommen. Die Depris sind nicht mehr so stark und die mit meinen Zwängen habe ich auch einen anderen Umgang gelernt. Gerade was das auf Fugen treten anbelangt, kann ich es jetzt ein wenig „ausleben“ und mir dadurch den Druck nehmen, der sich durch Fugen aufbaut und es baut sich weniger Druck gerade bei Fugen auf, bei denen es mir unmöglich ist, diese nicht zu treffen. Ist ein ungewohntes Gefühl, aber es tut mir gerade unglaublich gut.

12.00 Uhr In der Gruppentherapie konnte ich mich kaum konzentrieren. Ich war so fertig. Das ist gerade sehr anstrengend, aber ich weiss ja, wofür ich das Ganze mache. Jetzt erst einmal fuddern, 30 Minuten pennen und um 13.00 Uhr habe ich dann noch mein Einzelgespräch.

14.00 Uhr Auch im Einzel sind wir die Zeit in der Klinik und meine Vortschritte durchgegangen. Zum Thema Borderline sind wir 9 Anzeichen durchgegangen und wenn 5 davon zutreffen kann es sich höchstwahrscheinlich um eine Borderlineerkrankung handeln. wir kamen spontan auf 4. Der Therapeut wird im Abschlussbericht eine Tendenz zur Borderlineerkrankung aufnehmen, damit ich dies mit meiner Therapeutin nochmal durchgehen kann. Mal schauen. Aber zuerst werden wir mal das Zwangstagebuch etablieren, um zu schauen, welche Zwänge wie ausgebildet und belastend für mich sind.

15.00 Uhr schnarch…

17.00 Uhr Ich habe es zum ersten Mal überhaupt geschafft, auf dem Bett zu liegen und einfach „nur“ bewusst Musik gehört. Scheisse  gibt es geile Musik. Wir Menschen bekommen so gute Sachen hin. Das ist schon beeindruckend.

19.00 Uhr Mit der Pflege gehe ich noch kurz mein (Ent-)Spannungskurve durch und gehe im Anschluss noch spazieren.

21.00 Uhr 3 Kilometer sind’s geworden und jetzt sitze ich in der Cafèteria und mache mir eine Liste, bei welchen Unternehmen und Instutionen ich meine neue Adresse überall angeben will. Heute ist ein guter Tag. Und dass, obwohl mir der Feiertag die Woche kaputtgemacht hat. Ich habe es sogar geschafft, den Blog ein zweites Mal weiter zu führen, obwohl schon wieder neue Lücken entstanden sind. Gute Nacht! :-*